Stuttgart 21 und der Zugbrand im Terfenser Tunnel

(hier die Pressemitteilung als pdf-Datei)

Schluss mit dem Weggucken!

Das Brandunglück, vorletzte Nacht im Terfenser Tunnel bei Innsbruck, muss als Menetekel für die schwerwiegenden Mängel in puncto Tunnelsicherheit beim Projekt Stuttgart 21 verstanden werden:

In Terfens hatte die Feuerwehr auf frühzeitiges Lüften gegen die Rauchentwicklung verzichtet, weil dadurch immer die Gefahr besteht, das Feuer zusätzlich anzuheizen – das massive Einblasen von Luft aber ist in Stuttgart als Standard vorgesehen.

Weiter: In Terfens hatte die Feuerwehr Atemschutzmasken („Fluchthauben“) in ausreichender Zahl zur Verfügung, um die 151 Fahrgäste aus dem Rauch zu evakuieren. Das aber ist in den Stuttgarter Tunnels, wo Züge mit weit mehr als 2000 Fahrgästen verkehren sollen, völlig illusorisch. Schon allein der Zeitaufwand, um so viele Fahrgäste mit solchen Hauben zu versehen und in die Bedienung einzuweisen, wäre so groß, dass eine womöglich fortschreitende Brandentwicklung eine Bergung aus dem Zug nicht mehr möglich machen würde. „Selbstrettung“ in angeblichen 15 Minuten oder „Rette sich, wer kann“ ist die Devise des S21-„Brandschutzkonzepts“

Der Terfenser Tunnel verfügt über Notausgänge ins Freie, über die Betroffene in Sicherheit gebracht werden konnten. Beim S21-Fildertunnel etwa dient dazu die parallele Röhre, die von den Gegenzügen befahren wird und deshalb erst nach dem Freifahren der Röhre und der Abschaltung der Oberleitung nutzbar ist.

Dass aber auch das im Brandfall keine sichere Lösung ist, hat sich in Terfens gezeigt: Die Zugführung hatte die Fahrgäste aufgefordert, Fenster und Türen geschlossen zu halten und sich im letzten Waggon des Zuges zu versammeln – offensichtlich, weil von Anfang an die von den direkt hinter der Lok befindlichen Auto-Waggons ausgehende Verrauchung des Tunnels keine sichere Flucht mehr ermöglichte. In Stuttgart müssten in einer solchen Situation im schlimmsten Fall weit über 2000 Fahrgäste in den letzten Wagen gebeten werden (falls es überhaupt Durchgänge von Wagen zu Wagen gibt) und dort auf Hilfe hoffen – während der Rauch unter entsprechenden Bedingungen genau dorthin geblasen würde.

Auch in Terfens zeigte sich im Übrigen, dass die Dauerbehauptung der Bahn, ein brennender Zug würde grundsätzlich vor dem Anhalten ins Freie bzw. in den Tiefbahnhof gefahren, der Tatsache widerspricht, dass z.B. bei Stromausfall automatisch alle Bremsen unausweichlich blockieren.

Zum 25. Jahrestag des verheerenden Zugunglücks von Eschede hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) gemahnt, alles dafür zu tun, dass sich eine solche Katastrophe niemals wiederholen dürfe. Martin Poguntke, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S21, fordert dazu: „Wir erwarten vom Verkehrsminister, dass er und alle Verantwortlichen – insbesondere der Stuttgarter Branddirektor Dr. Belge – dieser Forderung konkrete Taten folgen lassen und das „Brandschutzkonzept“ der S21-Tunnels unverzüglich einer schonungslosen Überprüfung unterziehen. Bis zu einer überprüfbaren Lösung der Brandschutzprobleme muss jeglicher Zugverkehr in diesen Tunnels untersagt werden.“

Kontakt:
Martin Poguntke, 0151 403 602 56
Werner Sauerborn, 0171 320 980 1

Offener Brief: Untaugliche Planung des Brandschutz- und Rettungskonzepts bei „Stuttgart 21“

(hier als pdf-Datei)

Bodman-Ludwigshafen, Stuttgart, 07.12.22

Sehr geehrter Herr Bundesminister Volker Wissing,

sehr geehrter Herr Ministerpräsident Winfried Kretschmann,

sehr geehrter Herr Minister Winfried Hermann,

sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

sehr geehrte Medienschaffende,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 und die Schutzgemeinschaft Filder e.V., anerkannter Umweltfachverband, stellvertretend für alle Umweltfachverbände, mahnen ein weiteres Mal eindringlich vor den völlig unzureichenden Vorkehrungen für Leben und Unversehrtheit von Fahrgästen und Zugbegleitern im Brandfall eines Zuges in einer der Tunnelröhren des künftigen Bahnknotens Stuttgart!

Es mag – ungeachtet einiger Zweifel – dahinstehen, ob die derzeit gültigen, einschlägigen deutschen und europäischen Regelwerke für Bahntunnel (hier: mit geplanten Mindeststandards!) eingehalten sind. Das Projekt „Stuttgart 21“ verkörpert jedoch aufgrund der extremen Tunneldichte bei teilweise großen Steigungen und extremen Tunnellängen ein buchstäblich brandgefährliches Alleinstellungsmerkmal, das durch die geltenden Richtlinien nicht erfasst ist.

Nach bisherigem Planungsstand umfasst das Projekt ca. 59 km Tunnelröhren. Das von den Vertretern der DB AG in den vorangegangenen Planfeststellungsabschnitten konstatierte „Restrisiko, welches bei solchen Großprojekten nie völlig vermeidbar“ sei, ist eine unverantwortliche Verharmlosung des Gefahrenpotenzials eines im Tunnel brennend liegenbleibenden Zuges. Die Bahn selbst beschreibt einen solchen Fall eines Zugbrands im Tunnel als „nicht beherrschbar“! Bei „Stuttgart 21“ folgt erschwerend ein Tunnel unmittelbar auf den nächsten, bzw. auf einen der insoweit gefährlichen Tiefbahnhöfe in Stuttgart und am Flughafen. Bei den großen Längen der einzelnen Tunnelabschnitte erscheint, anders als von der DB AG fortwährend bagatellisierend behauptet, völlig ausgeschlossen, dass ein in Brand geratender Zug aus eigener Kraft ins Freie gelangt. Dies gilt in besonderem Maße bei einem Brandfall im 9,5 km langen und steilen Fildertunnel des Planfeststellungsabschnitts 1.2. Dort bliebe angesichts der talseitig in den Fildertunnel bergauf eingeblasenen Frischluft im Brandfall den in Panik geratenden Zuginsassen lediglich die Flucht entgegen der Belüftung. Sollte der Brandherd am Zug jedoch auf der Zufuhrseite der Frischluft entstehen, sind alle Fluchtwege ausgeschlossen, da Hitze und Rauchgase bergauf ziehen und eine Entfluchtung bergab am Brandherd vorbei unmöglich ist. Die dichte Tunnelfolge mit z.T. großen Steigungen (im 9,5 km langen Fildertunnel) bedeutet faktisch eine nicht zu verantwortende Todesfalle.

Im Übrigen: Die Tatsache, dass die Bahn bei allen Tunnelneubauten Brandschutzübungen durchführt, widerlegt eindeutig die von Bahnseite fortwährend vorgebrachte Beschwichtigung, ein Zugbrand in einem Tunnel sei extrem unwahrscheinlich, dessen Beherrschung deshalb nicht erforderlich.  Die jüngsten Zugbrände bei Montabaur 2018 kurz vor bzw. hinter Tunnelabschnitten und aktuell vom 10.11.2022 im Flughafenbahnhof Köln/Bonn beweisen die Haltlosigkeit dieser Position.   

Sollten die schwerwiegenden Planungsfehler von Stuttgart 21 in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des künftigen Bahnknotens irrigerweise mit dem sog. „Pfaffensteigtunnel“ und dem Tunnel „Nordzulauf“ mit insgesamt weiteren rund 44 km Tunnelröhren – untauglich – „abgemildert“ werden, so bestünde der Bahnknoten Stuttgart aus mehr als 100 km Tunnelröhren. Das ist eine derart extreme Tunneldichte, die im Fall von Zugbränden alles in den Schatten stellt, was weltweit an gefahrenträchtigen Bahnstrecken jemals gebaut wurde!

Wir fordern Sie nachdrücklich auf, stoppen Sie diese Fehlplanung, solange noch Zeit dafür ist! Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 hat in konstruktiver Mitverantwortung für einen funktionierenden und vor allem weniger gefahrenträchtigen und weniger klimaschädlichen Bahnknoten Stuttgart das Konzept „Umstieg 21“ (www.umstieg-21.de) entwickelt, das am Ende – sogar mit dem heutigen Stand des Baufortschritts verglichen – noch Hunderte von Millionen Baukosten spart. Es fehlt unsererseits jedes Verständnis, dass dieses ökologisch und ökonomisch durchdachte Alternativkonzept nie die Beachtung gefunden hat, die es verdient!

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Reicherter, Martin Poguntke, Norbert Bongartz, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S 21.

Steffen Siegel, Dipl.-Ing. Frank Distel, Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Filder e.V. 

PM Verdopplung der Fahrgastzahlen mit zukünftigen Zügen überfordert den Brandschutz in den Tunneln

(hier – mit ergänzenden Grafiken – als pdf-Datei)

Eröffnung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm:

Verdopplung der Fahrgastzahlen mit zukünftigen Zügen
überfordert den Brandschutz in den Tunneln

Am 11. Dezember wird die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm (NBS) in Betrieb genommen, aber ein belastbares Rettungskonzept für die Tunnel liegt bis heute nicht vor. Bisher wurden im Brandschutz maximal 1.757 Reisende pro Zug diskutiert. Mit den neuen Regionalverkehrszügen sollen ab 2025 bis zu 2.761 Personen im Zug sein und perspektivisch sogar 3.681 Insassen. Das ist dann vier Mal so viel, wie die Kapazität der ICEs, für die die Tunnelprofile einmal ausgelegt worden waren. Und selbst die Vier-Waggon-Regionalzüge ab Eröffnung verfehlen das Evakuierungsziel der Deutschen Bahn AG.

Die hohen Zugkapazitäten wurden auf Nachfrage der FrAKTION im Stuttgarter Gemeinderat von der Landesanstalt Schienenverkehr bestätigt. Damit kann der Brandschutz weder in den 60 km Tunnelröhren der Neubaustrecke noch später in den großteils viel engeren 60 km Tunnelröhren des Projekts Stuttgart 21 funktionieren. Dieter Reicherter, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S21: „Bis 2020 behauptete die Bahn, Simulationen zu haben, die das Funktionieren ihres Rettungskonzepts belegten. Als allerdings gerichtlich Einsicht erstritten worden war, behauptete sie, diese seien bereits 2016 gelöscht worden. Demnach verfügt sie nicht einmal über einen Nachweis der Evakuierung von lediglich 1.757 Fahrgästen.“

Dr. Christoph Engelhardt vom Faktencheckportal WikiReal.org prüfte für die FrAKTION die Stuttgarter Tunnel nach dem für Tunnel und Bahnhöfe empfohlenen und auch von der DB eingesetzten Verfahren der makroskopischen Evakuierungsrechnungen des vfdb (Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e.V.), auch im Vergleich zu internationalen Tunneln. Engelhardt: „Die Evakuierungsrechnungen sind von jedermann mit Grundschulmathematik nachvollziehbar. Schon für die Regionalzüge zur Eröffnung ist keine rechtzeitige Evakuierung möglich. Bei späterer Volllast mit den geplanten über zwei- oder dreitausend Zuginsassen werden die Tunnel im Brandfall zur Todesfalle, insbesondere die verengten Tunnel von Stuttgart 21. Dort sind selbst ICEs nicht rechtzeitig evakuierbar. Die reale Gefahr zeigen die jüngsten ICE-Brände vom 10. November im Tunnelbahnhof Köln/Bonn Flughafen und vom 13. November in Nürnberg. Hinzu kommt, dass bspw. in den engen Tunneln sich der Rauch schon in 5 bis 8 Minuten ausbreiten kann und die von der DB angesetzten 15 Minuten niemals hinreichen.“

Hannes Rockenbauch, Fraktionsvorsitzender der FrAKTION: „Die Bahn muss jetzt umgehend das Rettungskonzept der Öffentlichkeit vorlegen und mit unabhängigen Expert:innen diskutieren. Anders können die Zweifel an der Betriebssicherheit der Neubaustrecke und bei Stuttgart 21 nicht beseitigt werden.“

Kontakt:
Hannes Rockenbauch, 0151 524 904 89
Dr. Christoph Engelhardt, 0176 969 369 59
Dieter Reicherter, 0151 263 711 31

Anlage: Dossier des Aktionsbündnisses gegen S21 zur Neubaustrecke

 

PM Eröffnung Neubaustrecke Wendlingen-Ulm

(hier als pdf-Datei)

Kritisches Dossier zur Teil-Eröffnung der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm

Winfried Hermann 2011: „Die Neubaustrecke hätte nie gebaut werden dürfen“

Die Neubaustrecke (NBS) ist ein Klimaskandal, sie stellt ein nicht akzeptables Sicherheitsrisiko dar, und sie ist, wie Stuttgart 21, durch dreisten Betrug zustande gekommen – so die Thesen, die das Aktionsbündnis in einem Dossier zur geplanten Teil-Neueröffnung der Strecke zusammengestellt hat (Anlage).

Ein Klimaskandal ist die NBS vor allem, weil auch hier wieder Unmengen an treibhausgasintensivem Stahlbeton verbaut wurden, weil sie steiler ist als die bestehende Filstalstrecke, höher hinauf geht als diese und weil die 30 km Tunnel zusätzlich erheblich Energie kosten. Das alles täglich und auf viele Jahre.

Das Aktionsbündnis warnt besonders aus Sicherheitsgründen vor einer voreiligen und bedingungslosen Inbetriebnahme der Neubaustrecke am 11. Dezember. Ähnlich den S21-Tunneln erfüllen die NBS-Tunnel wichtige Sicherheitsbedingungen besonders beim Thema Brandschutz nicht. Anders als von der DB immer wieder behauptet, haben einige Beinahkatastrophen in letzter Zeit gezeigt, dass ICEs sehr wohl brennen können, was insbesondere bei der 15 km lange Tunnel-Brückenkette am Albaufstieg ein erhöhtes Risiko darstellt. Die NBS hat zu wenig Rettungsstollen, keine dritte Rettungsröhre und keine schnell einsetzbaren qualifizierten Feuerwehren in der Nähe. Die Rettungskonzepte gehen von alten, zu niedrigen max. Fahrgastzahlen in den Zügen aus, usw.

Dass ein solches Projekt trotz alledem umgesetzt wurde, liegt wesentlich daran, dass seine politische Durchsetzung von Anbeginn an auf Betrug basiert. Um das für die Genehmigung entscheidende Wirtschaftlichkeitskriterium zu erfüllen, musste die Strecke güterverkehrstauglich sein. Das konnte sie aber, wie schon damals bekannt, aufgrund der extremen Steigungen nie sein. Deshalb resümierte 2011 der jetzige Verkehrsminister Winfried Hermann: „Die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ist unwirtschaftlich und darf nicht gebaut werden“ http://bit.ly/3AB7kue

„Weil von der Bahn Mega-Prestigeprojekte wie die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm oder Stuttgart 21 gebaut werden, fehlt bundesweit Geld zur flächendeckenden Ertüchtigung der Bahn-Infrastruktur. Wenn heute viele Bahnreisende einen Zug früher oder gleich wieder das Auto nehmen müssen, um ihr Ziel pünktlich zu erreichen, dann zahlen sie damit den Preis für solche Projekte“, so Bündnissprecher Martin Poguntke. Der Niedergang der Bahn ist das Ergebnis langjähriger falscher Mittelallokation.

Das Aktionsbündnis fordert daher: Keine Inbetriebnahme bevor nicht ein unabhängig erstelltes qualifiziertes Brandschutz- und Rettungskonzept und eine Klimaverträglichkeitsprüfung erstellt sind, mit der Folge, dass ggf. nur ein reduzierter Betrieb mit reduzierten Höchstgeschwindigkeiten erlaubt wird.

Die Neubaustrecke kann jedoch auch bei Erfüllung unverzichtbarer Bedingungen einen Sinn als Ergänzung der bestehenden Filstalstrecke machen, wenn sie, wie im Konzept www.umstieg-21.de vorgeschlagen, über die Bestandsstrecke Tübingen-Stuttgart an den Kopfbahnhof angeschlossen wird und mit einem Umstiegspunkt in Wendlingen eine Verbindung von dort zu Flughafen und Messe bekommt.


Kontakt: Martin Poguntke: 0151 403 602 56,  Werner Sauerborn: 0171 320 980 1

Anlage: Dossier