Stadterhitzung wird immer noch nicht ernst genommen

(Pressemitteilung hier als pdf-Datei)

Stuttgarter Gemeinderatsausschuss lehnt Faktencheck zu Klimafolgen der Rosensteinbebauung ab

Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik des Stuttgarter Gemeinderats hat in der heutigen Sitzung die Entscheidung über das definitive Ausmaß der Bebauung des Rosenstein-Areals zwar verschoben, aber den Antrag des Links-Bündnisses auf einen Faktencheck zu den artenschutzrechtlichen und klimatologischen Folgen einer Bebauung auf den S-21-Flächen mit der Mehrheit der S21-Parteien abgelehnt. Alle Argumente, auch der Stadtklimatologie, zur Berücksichtigung des Klimaschutzes wurden und werden in den Wind geschlagen.

Dabei würde diese Bebauung die wichtigste Frischluftschneise des Stuttgarter Talkessels versperren. Es würden die Gleise, die in Sommernächten die Luft kühlen, durch Beton überbaut, der stattdessen zusätzlich Hitze speichert. Es würden eine Vielzahl von für das klimastabilisierende Ökosystem wichtigen Tieren und Pflanzen verloren gehen – davon allein 60 auf der Roten Liste stehende. Es würde bedeuten, dass die Gäubahn für viele Jahre, möglicherweise sogar auf Dauer vom Hauptbahnhof abgehängt würde. Und es würde auf Dauer auf den Kopfbahnhof und seine Gleise verzichtet, ohne die ein besserer Bahnverkehr nicht möglich ist. Eine noch so klimabewusste Bebauung am falschen Ort ist klimaschädigend!

„Tagtäglich sind die Medien voll von Meldungen, dass die Städte – und ganz besonders Stuttgart – sich in den nächsten Jahren gefährlich aufheizen werden. Aber die Mehrheit des Stuttgarter Gemeinderats nimmt die drohende Stadterhitzung immer noch nicht ernst.“, so  Martin Poguntke, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S21

Aus Sicht des Aktionsbündnisses ist besonders irritierend, dass selbst die „Fridays for future-Stuttgart“ – in Kooperation mit der „Grünen Jugend“ – mit ihrer gestrigen Pressemeldung kein Wort zu dieser klimaschädlichen Bebauung verlieren. Ohne Not haben sie sich lediglich gegen eine von CDU, FDP, SPD und Freien Wählern geforderte noch umfangreichere Bebauung gewandt, obwohl sie um die Klimaschädlichkeit jeglicher Bebauung dieses fürs Stadtklima extrem sensiblen Areals wissen sollten. Poguntke: „Eine solche Haltung scheint mir nicht mit dem vereinbar, wofür Greta Thunberg steht. Gerade gegenüber den Grünen, die besonders in Person ihres Baubürgermeisters Peter Pätzold die klimadestruktive Bebauung verteidigen, sollten die Stuttgarter Fridays ihren Grundsatz parteipolitischer Distanz wahren“

Kontakt:
Martin Poguntke, 0151 40 36 02 56
Werner Sauerborn, 0171 320 98 01

Werner Sauerborns Rede auf der Fridays-Demo am 21.4.23

Liebe Freundinnen und Freunde einer Verkehrswende VORWÄRTS!

Das „Vorwärts“ betone ich deshalb, weil es leider auch die Möglichkeit einer Verkehrswende rückwärts, also zurück von der Schiene zum Auto gibt. Und der Inbegriff dafür nimmt gerade unter unser aller Augen Gestalt mit Deutschlands größtem und teuersten Bahninfrastrukturprojekt an, dem never ending Stuttgart 21.

Jetzt denken sicher viele: Da hat er zwar recht, aber jetzt ist es zu spät.

Dazu zweierlei:

Auf allen Kanälen wird ja gerade raustrompetet, S21 würde 2025 fertig. Von wegen! Wesentliche Teile des Projekts wie die Flughafenanbindung sind planerisch dermaßen gescheitert, dass sie ganz neu angesetzt werden müssen. Und weil, wer die Grundrechenarten beherrscht, weiß, dass S21 viel zu klein sein wird, werden jetzt schon sogenannte Ergänzungsprojekte angegangen, die die Probleme auch nicht lösen werden, aber mit weiteren 47 km Tunneln weitere Kosten in Höhe von 5.5.Mrd und weitere massive Klimaschäden verursachen werden. Fertigstellung Ende der 30-er-Jahre, wenn überhaupt jemals. Wir nennen dieses Vorhaben Stuttgart21 ZWO.

Und zum Zweiten:

Seit dem Ausstieg aus Atomenergie, Kohle, demnächst dem Verbrennerauto und der fossilen Wärmeerzeugung wissen wir: Es ist nötig und v.a. machbar, aus technologischen Fehlentwicklungen und Großprojekten auszusteigen, wenn sie am Ende negative Folgen haben – egal wie weit sie bereits entwickelt sind und wieviel Geld in sie investiert wurde.

Und genau das ist bei Stuttgart21 der Fall!

Mit einer Halbierung von Gleisen und Bahnsteigen wäre der Bahnhof schon heute viel zu klein und erst recht, wenn sich – wie ja als Teil der Verkehrswende geplant – bis 2030 die Fahrgastzahlen auf der Schiene verdoppeln sollen.

Diese Verkleinerung ist das verkehrspolitische Grundübel von Stuttgart21.

– daran ändert sich auch nichts, weil es ein Durchgangsbahnhof wäre, denn der Kapazitätsvorteil dadurch ist relativ gering

– auch die geplante Zugleittechnik ETCS – das neue Wundermittel gegen das Kapazitätsproblem – ändert daran nichts: Die Schweiz, bahnpolitisches Musterland, bilanziert nach 20-jähriger Erfahrung mit ETCS: weder die Sicherheit des Bahnverkehrs noch dessen Kapazität ließ sich steigern.

– auch noch mehr Tunnelzuläufe helfen nicht, weil der Tiefbahnhof selbst der Flaschenhals ist.

Stuttgart21 ist auf ewig zu klein. Deswegen würde im Südwesten auch auf ewig der Integrale Taktfahrplan nicht funktionieren. Für komfortables Umsteigen müssen zeitgleich Züge aus allen Destinationen Platz haben. Das bedeutet 14 Gleise und zwei in Reserve, also genau die 16 des Kopfbahnhofs!

Verkehr, für den kein Platz mehr auf der Schiene ist, landet auf der Straße. Und zwar der jetzige UND der zu Erwartende! Je nach Szenario werden sich bis 2050 durch diese Verkehrsverlagerungen (incl. CO2 durch Beton-Tunnelbau) zusätzliche THG-Emissionen von zwischen 3,5 und 5,6 Mio. t ergeben – allein durch Stuttgart21 EINS!

Hinzu kommt, auch das auf ewig, ein immenser Energieverbrauch im Betrieb von S21: Unzählige Rolltreppen und Aufzüge, Beleuchtung im Kellerbahnhof Tag und Nacht! Tunnelfahrten verbrauchen viel mehr Strom als Fahrten auf freier Fläche und wenn ein voll besetzter fast 1000 Tonnen schwerer ICE 4 von einem Tiefbahnhof tagein, tagaus in einen steilen Tunnel hinein beschleunigen muss, dann ist auch das klimapolitisch desaströs.

Schon jetzt, lange vor der erträumten Eröffnung zwingen Zugausfälle, Verspätungen und Unzuverlässigkeiten viele Menschen, aufs Auto zurückzugreifen. Die Aussichten auf die Komplettsperrungen der nächsten Wochen und demnächst die Abkoppelung der Gäubahn vom Hauptbahnhof, werden diesen negativen Trend beschleunigen.

Zum Thema Verkehrswende rückwärts durch Stuttgart21 gehört auch die Förderung des Flugverkehrs. Denn zu S21 gehört ein weiterer an den ICE-Verkehr anzuschließender Tiefbahnhof am Flughafen, mit dem die ehrgeizigen Ziele der Steigerung der Fluggastzahlen von Stuttgart aus erreicht werden sollen.

Angeblich haben ja Politik und Bahn aus den Fehlern der Vergangenheit, die die Bahninfrastruktur so geschädigt haben, gelernt. Jetzt würden viele Milliarden in die Schiene investiert. Solange dieses Geld in Stuttgart 21 und andere Unsinnsprojekte in Hamburg, Frankfurt oder München fließt, solange die Bahn weiter in Hochgeschwindigkeitswahn und Prestigeprojekte investiert statt in die Fläche, in die BürgerBahn, wird die Verkehrswende nicht funktionieren und werden wir die Klimaziele nicht erreichen.

Und das Positive zum Schluss: so wie die Erneuerbaren die Antwort auf den Fossilismus sind, ist das Konzept Umstieg21 die ökologische Antwort auf Stuttgart21!

PM Klimastreik am 3. März auch in Stuttgart

(hier als pdf-Datei)

Für Mobilitätswende – statt Mobilitätswende rückwärts!

Die Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 unterstützt die Klima-Demo von „Fridays for Future“ in Stuttgart am kommenden Freitag. Gemeinsam mit den „Fridays“ haben Stuttgart 21-Gegner*innen für den Erhalt Lützeraths demonstriert. Und gemeinsam mit ihnen gehen sie jetzt auf die Straße gegen den Mobilitätswende-Blockierer Bundesverkehrsminister Wissing. „So, wie Wissing den Bau von Autobahnen und Bahnprojekten beschleunigen will, führt das zu mehr Autoverkehr und klimaschädlichen Bahn-Großprojekten, statt zu einem Umstieg vom Auto auf die Bahn und zu den vielen kleinen, aber notwendigen, klimapolitisch sinnvollen Bahn-Ertüchtigungsmaßnahmen“, so Bündnissprecher Martin Poguntke.

Wenn wir im bundesweiten Klimastreik bezahlbare und saubere Mobilität fordern, dann heißt das in Stuttgart besonders: Raus aus der Wachstumshybris! Abkehr vom Bahnverschlechterungs- und Immobilienprojekt Stuttgart 21! „Eine Reduzierung der Bahnhofskapazität um 40 Prozent, weitere 45 Kilometer CO2-intensiver Tunnelbau mit sogenannten Ergänzungsprojekten, mindestens 10-jährige Gäubahn-Unterbrechung mit Abkoppelung der Panoramastrecke vom Hauptbahnhof, Förderung des Flugverkehrs durch einen extra S21-Flughafenbahnhof, der Zubau der Frischluftschneise Rosenstein – alles das sind S21-Klimasünden, die im Interesse der kommenden Generationen tabu sein müssen.

Das Aktionsbündnis lädt zur Demo von Fridays for Future am Freitag, 3. März, 14 Uhr auf dem Schlossplatz in Stuttgart ein.

Nachtrag zur Bürobesetzung bei Grünem Stuttgarter Baubürgermeister

Ehre, wem Ehre gebührt! Die Performance SLEEPY REBELS ON TOUR ist in Idee und Ausführung das Verdienst von Extinction Rebellion Stuttgart. Ironisch thematisiert die Aktion (Video) die klimapolitische Schlafmützigkeit des Grünen Baubürgermeisters in vielen seiner Zuständigkeitsbereiche, v.a. beim nach wie vor trostlosen städtischen Radverkehr. Kritisiert wurde auch Pätzolds starrsinniges Festhalten an der Bebauung des Rosensteinareals, die die Erhitzung der Stadt eskalieren würde und zur jahrelangen Unterbrechung der Gäubahnverbindung nach Stuttgart führen würde. Das Aktionsbündnis hat die Aktion mit viel Sympathie begleitet, war aber nicht ihr Urheber, wie fälschlich in vielen Medien berichtet.

Kontakt XR Stuttgart:
Yvonne Sauter 0176 401 331 02, Twitter: @
xrStuttgart

Kontakt Aktionsbündnis:
Martin Poguntke, 0151 403 602 56
Werner Sauerborn, 0171 320 98 01

„Kohle bleibt unten, Bahnhof bleibt oben und Autobahnpläne bleiben Makulatur!“

(hier als pdf-Datei)

Werner Sauerborn auf Friday-Demo 3. Feb. 2023, Marktplatz Stuttgart

Liebe Freundinnen und Freunde!

Die meisten Reden beginnen ja etwa so: „Vielen Dank für die Einladung, dass ich bei Euch reden darf“. Ich freu mich zwar auch über die Einladung, aber ich meide dieses „Ihr Klimaaktivist*innen“ und „wir S21-Gegner*innen“, weil wir auch von Anbeginn Klimaaktivist*innen sind – von den Parkbesetzungen gegen das Fällen dieser uralten Platanen im Schlossgarten bis heute, wo es bei S21 um noch mehr Wachstumsfetischismus, noch mehr Bodenversiegelung, Tunnelbau, Flugreiseförderung, weniger Artenschutz und weniger Hochwasserprävention geht.
Das Label „Bahnhofsgegner“ verdeckt leider, dass es bei S21 um fast die komplette Palette der aktuell brennenden Klimafragen geht, z.B. um die Frage, dass ein verkleinerter Bahnhof zu mehr Autoverkehr und – logisch – zur Forderung nach mehr Straßenbau führt.

Womit wir beim „Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren“ wären.
Krisenzeiten sind die Stunde der Macher, des Hauptsache-schnell, der sog. Deutschlandgeschwindigkeit. Schnell leider vor allem beim Abräumen demokratischer Beteiligungsrechte, die oft genug vor dem größten Unsinn geschützt haben, und schnell beim Abräumen von Klimazielen. So bei Genehmigung und Ausbau der LNG-Terminals, über die Gas, auch aus Fracking, aus aller Welt ins Land befördert wird – eine angeblich nur befristete Rückkehr in den Fossilismus. Und weil man gerade so schön in Schwung ist, will Wissing auch die neue Deutschlandgeschwindigkeit beim Autobahnbau durchdrücken. Ein No-Go, gegen das wir uns mit all unserer Kraft stemmen müssen!

Und dann ist da auch die Rede vom beschleunigten Ausbau des Eisenbahnnetzes. Klingt ja erstmal so allgemein gut. In einem Infotext zu den heutigen Friday-Demos stand dann auch: „Die Beschleunigung von Schienenausbau ist wichtig – der Ausbau von Autobahnen hingegen ist in Zeiten der Klimakrise unnötig und gefährlich”. Letzteres ist klar. Aber Schienenausbau ist nicht an sich richtig. Es gibt sinnvollen, aber auch extrem klimadestruktiven!

In dem klasse Webinar von Fridays am Montag mit Luisa Neubauer, Prof. Knie u.a. sagt Katja Diehl: „Das Allerschlimmste, was man machen kann, ist Tunnelbau. Das ist der größte Emittent schlechthin von CO2!“ – und bezieht sich dabei auf den Lobau-Tunnel, einen geplanten 2 x 8,2 km langen Autotunnel unter Wien, gegen den die Grüne Umweltministerin Gewesseler erfolgreich (gerichtlich gegen ihren Koalitionspartner!) zu Felde zieht. Hiesige Grüne aufgemerkt!

Was für einen Autotunnel gilt, gilt physikalisch natürlich genauso für Eisenbahntunnel – es sei denn, es gibt keine Alternativen und sie machen verkehrlich Sinn. Unter dem Druck der Betonindustrie und vieler anderer verfolgt die DB weiter die Strategie der Rennstrecken mit möglichst vielen Tunneln. In der Klimabilanz muss aber die sog. Graue Energie mit dem exzessiven Einsatz von Stahlbeton einbezogen werden, und der dreimal so hohe Energieverbrauch bei Tempo 300 statt 160, und der viel höhere Materialverschleiß. All das potenziert sich bei Tunneln, und dann noch extrem steilen wie bei S21 und der Neubaustrecke.
Würde man unter Berücksichtigung all dessen die Klimabelastung des gefahrenen Kilometers im geplanten S21-Netz, inklusive Neubaustrecke, ermitteln, dürfte rechnerisch Fliegen und Autofahren klimafreundlicher sein als Bahnfahren. Die Schiene verspielt so ihren klimabilanziellen Vorsprung gegenüber anderen Verkehrsträgern.
S21 steht da für viele solcher Projekte bundesweit. Und bei S21 geht es nicht um 2 x 8,2 km wie beim Lobau-Tunnel, sondern um die schon gebauten knapp 60 km. Weil die an allen Ecken und Enden nicht funktionieren, sollen jetzt weitere 47 km Tunnel dazu gebaut werden – die das Projekt aber auch nicht retten werden. Wir nennen das “S21 Zwo”. Das alles ist verhinderbar und es gibt klimagerechte Alternativen. Aber dazu vielleicht ein andermal.

Ein Wort zum Schluss noch zu den Grünen. Die Erfahrungen, die ihr und wir in Lützerath mit dem faulen Kohlekompromiss unter grüner Regie gemacht haben, war für S21-Gegner*innen ein Déjà-vu!
Wenn die grüne Klimaministerin in NRW sagt, Lützerath müsse wegen der Energiesicherheit (wessen eigentlich?) abgebaggert werden, dann ist das der gleiche Machtopportunismus, den wir bei S21 von Kretschmann, Herrmann, Fritz Kuhn und Pätzold seit Jahren kennen und was Luisa Neubauer im Spiegelinterview kürzlich „das Verkleiden des Schlechten als glorreich“ nannte.

In diesem Sinne:
„Kohle bleibt unten, Bahnhof bleibt oben und Autobahnpläne bleiben Makulatur!“

Werner.sauerborn@t-online.de, twitter: @WernerBorn_