Werners Rundmail vom 18. Juli 2021

(hier die ganze Rundmail als pdf-Datei)

Liebe Freundinnen und Freunde,

„Jetzt können die ja wohl nicht einfach so weiter machen“. Das waren die Worte eines stadtbekannten Gastwirts, ganz unter dem Eindruck der Katastrophenbilder der letzten Tage – noch bevor ich mich setzen konnte. Er kannte mich entfernt als S21-Gegner. Aber er meinte es grundsätzlicher.

In der Tat: vielleicht ist es ein historisches Zeitfenster, eine Zäsur, die eine Wende in der Gesellschaft, vor allem aber in der Politik möglich macht. Es heißt ja immer, aus der Erdüberhitzung seien bisher nicht die erforderlichen Konsequenzen gezogen worden, weil die Auswirkungen räumlich und zeitlich zu weit weg waren. Das ist jetzt anders. Die Einschläge sind jetzt ganz nah, hier und jetzt: über hundert Tote, apokalyptische Bilder, mitten in Deutschland und Europa, in Gegenden und Städten, die die meisten kennen, wo sie schon waren, wo sie Freund*innen haben.

Es ist vielleicht ein historischer Moment wie 2011 bei der Katastrophe von Fukushima. Kein Ort in Deutschland, der nicht betroffen wäre, wo es bei einem Fallout nicht zu ähnlich verheerenden Folgen gekommen wäre. Ein Moment in dem Merkel die gesellschaftliche Stimmung begriffen hat und eine Wende vollzog, die ihr kaum jemand zugetraut hätte.

Die Frage ist, ob die Politik diesmal die klimapolitische Lektion gelernt hat. Das muss man bezweifeln. Wenn der derzeit aussichtsreichste Kanzlerkandidat Lachet am Abend der Katastrophe, als schon alle Medien voll davon waren, auf dem CSU-Parteitag meinte „weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik“. Sagte es, fährt nach Erftstadt, zieht die Gummistiefel an, zeigt sich vor laufenden Kameras entsetzt, dankt den Rettungskräften und -fordert mehr Tempo beim Klimaschutz, als wäre er in den letzten Jahren nicht der Bremser bei allen klimapolitischen Bemühungen gewesen. Beim „Kohlekompromiss“ agierte er eher auf der Seite von RWE & Co, setzte sich im Konflikt um den Hambacher Forst für die Rodungen zugunsten des Braunkohletagebau ein, hat in NRW den Ausbau der Windkraft torpediert und ist hauptverantwortlich für ein Wahlprogramm, das sich beim Thema Klima vor jeder Festlegung drückt.

(Campact-Appell hier unterzeichnen!)

 

 

Da ist Laschet nicht viel schlechter als die vorherrschende Politik, geprägt von der Großen Koalition in Berlin, die an Nordstream 2 festhält und sich damit auf Jahrzehnte an die fossile Energieversorgung bindet, die die Autoindustrie pampert, die weiter Riesengewinne mit übergewichtigen Sprit- oder Stromfressern verdient, und die an klimaschädigenden Großprojekten wie der Fehmarnbeltquerung, dem Ausbau des Leipziger Flughafens, dem Autobahnausbau, und natürlich Stuttgart 21 festhält.

Beim Autobahnausbau in Hessen (A 7 bei Kassel und A 485 in Gießen) sind die hessischen Grünen in der moralischen Mitverantwortung. Bei Stuttgart 21 sind es die Grünen unmittelbar. Auch hier die Doppelzüngigkeit, die der von Laschet in nichts nachsteht: So posaunt Kretschmann bei der Vorstellung des neuen Koalitionsvertrags: „Klima, Klima, Klima“ und redet zugleich Stuttgart 21 und vor allem seinen Ergänzungsprojekten mit großen zusätzlichen Klimaschädigungen das Wort (was dazu Berthold Fries im Auftrag Kretschmanns verlauten ließ: s. weiter unten).

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Forderung Matthias Gastels, MdB/Grüne, der Bund solle in die Finanzierung von S21 einsteigen, ist rechtswidrig

Pressemitteilung des Aktionsbündnisses gegen S21 vom 2. März 2020

(hier als pdf zum Download)

Aktionsbündnis fordert Orientierung an Grundgesetzauftrag

Keine rechtswidrige Finanzierung von S21 durch den Bund!

Das „Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21“ warnt die Bundesregierung: Finanzielle Unterstützung des Projekts S21 wäre ein klarer Rechtsbruch. „Wer sich dem Grundgesetz verpflichtet weiß, darf sich darauf keinesfalls einlassen“, so Bündnissprecher und Jurist Dr. Eisenhart von Loeper. Völlig zu Recht fordert der Bund deshalb die bereits für S21 ausgezahlten Gelder von der Bahn zurück, nachdem die EU dieser Tage Fördergelder in Höhe von 1,2 Milliarden für S21 freigegeben hat.

Abwegig ist hingegen die Forderung des Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel (Grüne), der Bund solle in die Finanzierung von S21 einsteigen. „Herr Gastel sollte vielmehr einen augenblicklichen Stopp des Projekts fordern, weil ein Weiterbau die Bahn finanziell ruinieren würde und weil eine öffentliche Finanzierung rechtswidrig wäre“, so von Loeper. „Es ist doch widersinnig, wenn ausgerechnet die Grünen die Fortsetzung eines Projekts fordern, von dem heute schon klar ist, dass es mit seinen nur 8 Gleisen den Bahnverkehr bundesweit behindern und damit dem zentralen Anliegen ihrer Partei, dem Klimaschutz, zuwiderlaufen würde.“

Da die Bundesregierung nach Grundgesetz-Artikel 87 e Abs. 4 den verpflichtenden Auftrag zum „Ausbau und Erhalt des Schienenverkehrs“ hat, das Projekt S21 aber einen massiven Rückbau von Schieneninfrastruktur bedeutet, darf Verkehrsminister Scheuer keine Bundesmittel für dieses Projekt aufwenden. Jurist Dr. Eisenhart von Loeper: „Nachdem die Bundesregierung 2012/2013 durch rechtswidrigen Druck auf den Bahn-Aufsichtsrat den Weiterbau des Projekts erzwungen hatte, darf nun nicht der zweite Rechtsbruch folgen: diesen Bau auch noch mitzufinanzieren.“ S21 ist zu Recht ein „eigenwirtschaftliches“ Projekt der Bahn, das sie auf eigenes Risiko baut. Das geht bereits aus dem Umstand hervor, dass S21 nicht im „Bundesverkehrswegeplan“ vorgesehen ist, weil es keinen bahnverkehrlichen Bedarf befriedigt.

Das Aktionsbündnis fordert deshalb den Erhalt der 16 Kopfbahnhofgleise, eine Modernisierung des Kopfbahnhofs und eine klimaverträgliche alternative Nutzung der schon für S21 erstellten Bauwerke. Auch nach heutigem Stand würde das noch Kosten in Milliardenhöhe sparen – und die Bundesregierung dürfte sich an der Finanzierung beteiligen.

Das Argument, die Bahn sei vertraglich verpflichtet, S21 zu Ende zu bauen, wird durch ein vom Aktionsbündnis in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten von Professor Urs Kramer, Universität Passau, gründlich widerlegt. Von Loeper: „Da sich die Vertragsbedingungen seit dem Vertragsabschluss grundlegend geändert haben, die Verhandlungen über eine Nachfinanzierung („Sprechklausel“) gescheitert sind und der Bahn nicht zuzumuten ist, eine eigene schwere Vermögenschädigung in Kauf zu nehmen, ist der Vertrag nicht mehr bindend.“