Liebe Freundinnen und Freunde,
schade eigentlich, dass die DB die angekündigte festliche Eröffnung der Baustelle Bahnhofstrog abgesagt hat. Also kein blumengeschmückter Bagger, der mal wieder einen ersten Biss tut. Schade, denn diese Inszenierung und der angekündigte Protest dagegen hätte das S21-Thema sicher mal wieder in die Tagesschau gebracht – und damit die bundesweite Ruhe um S21, die sich die Befürworter ja mit ihrem Faktenschaffen und ihren Entmutigungen mühsam erarbeitet hatten, wieder aufgebrochen hätten und dann wäre womöglich all das wieder auf den großen Bühnen zur Sprache gekommen wäre, was die DB unbedingt unter der Decke halten will: Von den großen Fragen der Kosten, der Leistungs(un)fähigkeit, des fehlenden Brandschutzes, der vielen ungeklärten technischen Fragen bis hin zu den ganz konkreten Defiziten, die diese Baustelleneröffnung eigentlich unmöglich machen sollten: Wie der fehlenden Baulogistik, die die Grünen in einer Gemeinderatsanfrage thematisieren oder die widerrechtliche Einleitung verunreinigten Wassers, dass die Fraktion SÖS/Linke/+ veranlasste, von der Stadt zu verlangen, der DB die wasserrechtliche Genehmigung für das Grundwassermanagement zu entziehen.
Andererseits ist der Rückzieher der DB natürlich ein Erfolg der Bürgerbewegung. Trotz aller zur Schau getragenen Coolness sind die Proteste gegen S21 eben doch ein wichtiger Faktor im Kalkül der Bahn – und deshalb müssen sie weitergehen: Mit der Montagsdemo und mit dem großen Aktionstag gegen die Trogeröffnung am Dienstag, der – jetzt erst recht –, ein weithin sichtbares Zeichen gegen den Unsinn dieses Projekts und immer auch gegen die Verantwortungslosigkeit des politischen Mainstreams setzen soll.
Erste Reaktion der Grünen Landtagsfraktion: „Wir danken euch für eure Initiative“, antwortet Andreas Schwarz, MdL und Vorsitzender des Arbeitskreises Verkehr und Infrastruktur, auf die Bitte des AB, einen Untersuchungsausschuss zu unterstützen. „Auch wir als Landtagsfraktion haben ein großes Interesse daran, Licht ins Dunkel der Vorgänge rund um den Großen Verkehrsvertrag zu bringen. Einem Untersuchungsausschuss stehen wir grundsätzlich offen gegenüber. Das Zustandekommen des Vertrags, seine schlechte juristische Qualität sowie die Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs werfen viele berechtigte Fragen auf. Unsere Position dazu ist klar: Dieses Werk ist der schlechteste Verkehrsvertrag der Republik und mit die größte Altlast der alten Landesregierung – zum Nachteil eines modernen, attraktiven Nahverkehrs.
Der von Stefan Mappus verhandelte Vertrag hat zur Folge, dass auf vielen Strecken noch altes Wagenmaterial unterwegs ist, das in keinster Weise den heutigen Anforderungen der Kundinnen und Kunden entspricht. Gleichzeitig bezahlt Baden-Württemberg die bundesweit höchsten Preise für diese mangelhaften Leistungen. Zudem hat die Bahn versucht, Ungenauigkeiten im Vertrag auszunutzen, um für eine Leistung (Nutzung ihrer Infrastruktur) teilweise doppelt zu kassieren. Die so genannte doppelte Dynamisierung hat das Verkehrsministerium gestoppt und wird bis zum Ende der Laufzeit 2016 140 Mio. Euro einbehalten.“ Schließlich verweist Schwarz auf den noch ausstehenden Bericht des Landesrechnungshofs, den man abwarten wolle.
Das AB hat erklärt über die Sommerpause Gespräche mit den wichtigen Akteuren beim Thema Untersuchungsausschuss zu führen.
Erste Reaktion aus Brüssel: Beihilfeverfahren wegen Kungelei wird wieder aufgenommen!!
Gerade berichtet der Spiegel, die Europäische Union überprüfe den sogenannten Großen Verkehrsvertrag zwischen dem Land Baden-Württemberg und der Bahntochter DB Regio. Die EU-Kommission wolle untersuchen, ob das Land der Bahn zu hohe Zuschüsse garantiert hat. Sie hat dazu ein 2010 eingeleitetes Beihilfeverfahren wieder aufgenommen. Dies ist ein erster großer Erfolg der Initiative des VCD.
www.spiegel.de/spiegel/vorab/eu-vermutet-kungelei-zwischen-bahn-und-baden-wuerttemberg-a-984201.html
Zugunglück Mannheim – jetzt reicht’s!!
Die Sequenz aus Hermann Abmayrs Film mit dem unter der Last des darüber rollenden ICs durchfedernden, grad mal mit einem Holzklotz abgestützten Schienenstrangs, zuletzt ausgestrahlt in PlusMinus, war uns noch sehr vor Augen, als uns die Bilder vom Zugunglück in Mannheim erreichten. Als hätte es die Realität nich erwarten können, die Kritik an der desolaten Bahninfrastruktur praktisch zu bestätigen.
Thilo Böhmer und andere S21-kritische Bahnexperten sind gleich zur Unfallstelle geeilt, um sich ein Bild zu machen. Auch sie sind vorsichtig mit Festlegungen, Ob die fragliche Weiche von dem Güterzug falsch befahren wurde, weil sie nicht funktionierte, weil das Signal falsch gestellt oder nicht richtig gesehen wurde, oder ob die Fahrt auf das Stoppsignal nicht ausreichend durch die Zugsicherung abgesichert war – muss schnell aufgeklärt werden. Nicht erst wieder in Monaten und Jahren, wenn Gras über die Sache gewachsen ist!
Wenn, wofür vieles spricht, auch diesmal wieder eine Mahnpolitik verantwortlich ist, die mutwillig die Infrastruktur verrotten lässt, die Sicherheit hintanstellt (davon, dass beim Unglückszug wieder Türen nicht aufgingen und die Klimaanlage ausgefallen war, ganz zu schweigen) und stattdessen lieber wahnwitzige Großprojekte baut, dann muss das endlich Konsequenzen haben – (bahn-)politische und personelle!
Kritischer Bericht in Tagesthemen 2.8.:
www.ardmediathek.de/tv/Tagesthemen/02-08-2014-tagesthemen-22-45-Uhr/Das-Erste/Video-Podcast?documentId=22735644&bcastId=3914
(ab min 4.46)
ausführlicher: www.swrfernsehen.de/swr-extra-das-zugunglueck-in-mannheim/-/id=2798/did=13915592/nid=2798/vlo9p8/index.html
Die Grüne Bundestagsfraktion: die Hot Spots des Bahnversagens
In einer interaktiven Grafik hat die Grüne Bundestagsfraktion, passend zur Mannheimer Katastrophe, die Hot Spots einer schleichenden Infrastrukturkrise, die die CDU-SPD-Bahnpolitik seit Jahren hinnimmt und mit ihrer Tatenlosigkeit faktisch verschärft, zusammengestellt: http://www.gruene-bundestag.de/themen/verkehr/verfall-der-verkehrswege-stoppen_ID_4392556.html. Klaus Gebhard hat dankenswerterweise daraus die marodesten Eisenbahnbrücken im Großraum Stuttgart identifiziert und bebildert. Marode heißt: Kategorie 4 (= irreparabel marode, nur noch durch Neubau zu ersetzen.
Mit einer gewissen Beklemmung quert der Bahnreisende dann wohl Brücken in: Kornwestheim, Ludwigsburg, Winnenden, Murrhardt, Nebringen b. Gültstein, Horb, Unterreichenbach/Nagoldtal, Reutlingen-Betzingen, Blaustein b. Blaubeuren oder auch dieses imposante Bauwerk, das Stockerbach-Viadukt mit Stadtbahn nach Eutingen im Gäu.
Der Wasserwerfer-Prozess macht Sommerpause bis 25. August. In Kontext eine Zwischenbilanz von Jürgen Bartle und Dieter Reicherter, die zeigt, wie voreingenommen die Staatsanwaltschaft Stuttgart ihre eigenen Ermittlungsergebnisse interpretiert hat. Zeugenaussagen von Verletzten und sogar Polizeivideos klagen viel schärfer an als die Anklagebehörde. www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/174/das-zahnfleisch-vom-knochen-geschossen-2353.html
& viele Grüße von Werner