Offener Brief: Untaugliche Planung des Brandschutz- und Rettungskonzepts bei „Stuttgart 21“

(hier als pdf-Datei)

Bodman-Ludwigshafen, Stuttgart, 07.12.22

Sehr geehrter Herr Bundesminister Volker Wissing,

sehr geehrter Herr Ministerpräsident Winfried Kretschmann,

sehr geehrter Herr Minister Winfried Hermann,

sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

sehr geehrte Medienschaffende,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 und die Schutzgemeinschaft Filder e.V., anerkannter Umweltfachverband, stellvertretend für alle Umweltfachverbände, mahnen ein weiteres Mal eindringlich vor den völlig unzureichenden Vorkehrungen für Leben und Unversehrtheit von Fahrgästen und Zugbegleitern im Brandfall eines Zuges in einer der Tunnelröhren des künftigen Bahnknotens Stuttgart!

Es mag – ungeachtet einiger Zweifel – dahinstehen, ob die derzeit gültigen, einschlägigen deutschen und europäischen Regelwerke für Bahntunnel (hier: mit geplanten Mindeststandards!) eingehalten sind. Das Projekt „Stuttgart 21“ verkörpert jedoch aufgrund der extremen Tunneldichte bei teilweise großen Steigungen und extremen Tunnellängen ein buchstäblich brandgefährliches Alleinstellungsmerkmal, das durch die geltenden Richtlinien nicht erfasst ist.

Nach bisherigem Planungsstand umfasst das Projekt ca. 59 km Tunnelröhren. Das von den Vertretern der DB AG in den vorangegangenen Planfeststellungsabschnitten konstatierte „Restrisiko, welches bei solchen Großprojekten nie völlig vermeidbar“ sei, ist eine unverantwortliche Verharmlosung des Gefahrenpotenzials eines im Tunnel brennend liegenbleibenden Zuges. Die Bahn selbst beschreibt einen solchen Fall eines Zugbrands im Tunnel als „nicht beherrschbar“! Bei „Stuttgart 21“ folgt erschwerend ein Tunnel unmittelbar auf den nächsten, bzw. auf einen der insoweit gefährlichen Tiefbahnhöfe in Stuttgart und am Flughafen. Bei den großen Längen der einzelnen Tunnelabschnitte erscheint, anders als von der DB AG fortwährend bagatellisierend behauptet, völlig ausgeschlossen, dass ein in Brand geratender Zug aus eigener Kraft ins Freie gelangt. Dies gilt in besonderem Maße bei einem Brandfall im 9,5 km langen und steilen Fildertunnel des Planfeststellungsabschnitts 1.2. Dort bliebe angesichts der talseitig in den Fildertunnel bergauf eingeblasenen Frischluft im Brandfall den in Panik geratenden Zuginsassen lediglich die Flucht entgegen der Belüftung. Sollte der Brandherd am Zug jedoch auf der Zufuhrseite der Frischluft entstehen, sind alle Fluchtwege ausgeschlossen, da Hitze und Rauchgase bergauf ziehen und eine Entfluchtung bergab am Brandherd vorbei unmöglich ist. Die dichte Tunnelfolge mit z.T. großen Steigungen (im 9,5 km langen Fildertunnel) bedeutet faktisch eine nicht zu verantwortende Todesfalle.

Im Übrigen: Die Tatsache, dass die Bahn bei allen Tunnelneubauten Brandschutzübungen durchführt, widerlegt eindeutig die von Bahnseite fortwährend vorgebrachte Beschwichtigung, ein Zugbrand in einem Tunnel sei extrem unwahrscheinlich, dessen Beherrschung deshalb nicht erforderlich.  Die jüngsten Zugbrände bei Montabaur 2018 kurz vor bzw. hinter Tunnelabschnitten und aktuell vom 10.11.2022 im Flughafenbahnhof Köln/Bonn beweisen die Haltlosigkeit dieser Position.   

Sollten die schwerwiegenden Planungsfehler von Stuttgart 21 in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des künftigen Bahnknotens irrigerweise mit dem sog. „Pfaffensteigtunnel“ und dem Tunnel „Nordzulauf“ mit insgesamt weiteren rund 44 km Tunnelröhren – untauglich – „abgemildert“ werden, so bestünde der Bahnknoten Stuttgart aus mehr als 100 km Tunnelröhren. Das ist eine derart extreme Tunneldichte, die im Fall von Zugbränden alles in den Schatten stellt, was weltweit an gefahrenträchtigen Bahnstrecken jemals gebaut wurde!

Wir fordern Sie nachdrücklich auf, stoppen Sie diese Fehlplanung, solange noch Zeit dafür ist! Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 hat in konstruktiver Mitverantwortung für einen funktionierenden und vor allem weniger gefahrenträchtigen und weniger klimaschädlichen Bahnknoten Stuttgart das Konzept „Umstieg 21“ (www.umstieg-21.de) entwickelt, das am Ende – sogar mit dem heutigen Stand des Baufortschritts verglichen – noch Hunderte von Millionen Baukosten spart. Es fehlt unsererseits jedes Verständnis, dass dieses ökologisch und ökonomisch durchdachte Alternativkonzept nie die Beachtung gefunden hat, die es verdient!

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Reicherter, Martin Poguntke, Norbert Bongartz, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S 21.

Steffen Siegel, Dipl.-Ing. Frank Distel, Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Filder e.V. 

Stadt kein Magnet mehr? Sie macht sich sogar lächerlich!

Leserbrief von Aktionsbündnis-Geschäftsführer Werner Sauerborn zum Artikel “Alarmierende Zahlen: Stuttgart ist kein Magnet mehr“, erschienen in der Stuttgarter Zeitung am 18. Oktober 21

Das muss man erstmal schaffen: In großen Lettern beklagt die Stuttgarter Zeitung über den spektakulären Attraktivitätsverlust der Stadt – ohne auch nur ein Wort über Stuttgart 21 zu verlieren. Nicht angesprochen werden die S21-Baustellen, die die halbe Stadt auf den Kopf stellen und bis in die 40er-Jahre die Stadt prägen werden. Auch nichts über nervende “Wanderwege” zu den Zügen, nichts darüber, dass S21 Stuttgart vom wieder auflebenden Nachtzugverkehr abhängt und die wichtigen Zuläufe aus Südwest über die Gäubahn abgebaut werden sollen. Der Elefant im Wohnzimmer wird ignoriert. Nicht nur, dass – maßgeblich aufgrund von S21 – “die Stadt kein gutes Image hat”, nein, sie macht sich mit S21, auch im Blick auf das hundertjährige Jubiläum der Weißenhofsiedlung 2027, geradezu weltweit lächerlich.

Brief an die GDL

Das Aktionsbündnis hat an die GDL geschrieben: an den stellvertretenden Vorsitzenden Norbert Quitter, der auf der Montags-Demo am 30. August unter großem Beifall eine Rede an uns gehalten hat.

Hier der Brief (hier als pdf-Datei):

Lieber Herr Quitter, liebe GDL-Gewerkschafter*innen!

Wir Stuttgart 21-Gegner*innen haben uns sehr gefreut, dass Sie vorletzte Woche auf einer Montags-Demo zu uns gesprochen haben – und vor allem: wie Sie uns den Rücken gestärkt haben. Dafür wollen wir auf diesem Wege noch einmal von Herzen Danke sagen.

Wir nehmen seit geraumer Zeit wahr, dass die GDL-Vertreter die einzigen im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn sind, die sich gegen das zerstörerische Projekt S21 wenden. Und wir verfolgen mit großer Sympathie, dass die GDL immer wieder für eine Bahn eintritt, die der Bevölkerung nützt und nicht den Investoren. Wir sehen, dass die GDL nicht auf das Trugbild hereinfällt, hohe Investitionen in die Bahn – womöglich in Auslandsbeteiligungen – führten gleich zu einer besseren Bahn. Denn entscheidend ist die Frage, ob diese Investitionen wirklich einem bürgerfreundlichen Bahnverkehr dienen. Dazu gehört auch für uns, dass nur zufriedene Bahn-Mitarbeiter*innen eine gute Bahn darstellen können. Dafür steht die GDL in unseren Augen.

Deshalb wollen wir Ihnen in den augenblicklichen Tarif-Kämpfen gerne den Rücken stärken bei Ihren Forderungen nach guter Bezahlung aller Bahn-Mitarbeiter*innen und einer guten Rente. Null-Runden sind sicher weder angemessen, noch helfen sie der Bahn, eine gute Bürgerbahn zu werden.

In der Hoffnung, dass eines Tages auch die Gegnerschaft zwischen GDL und EVG auf gute Weise aufgehoben sein wird,

grüßen wir Sie herzlich
Martin Poguntke
Sprecher Aktionsbündnis gegen S21

PM: Offener Brief an Kanzlerin Merkel

(hier Stuttgarter Aufruf zur Klima- und Verkehrspolitik als pdf-Datei)
(hier diese Pressemitteilung als pdf-Datei)

Kulturschaffende und S21-Gegner fordern Merkel zu konkreten Klimaschutz-Schritten auf

Beenden Sie das Possenspiel um Stuttgart 21!

In einem „Stuttgarter Aufruf zur Klima- und Verkehrspolitik“ fordern sie nach der „Karlsruher Klima-Klatsche“ ein „sofortiges Umsteuern in der Verkehrs- und speziell Bahnpolitik“. Wichtig sei eine Bahn, die ihre Fahrgäste vor Ort abholt und wieder als Verkehrsmittel für alle wahrgenommen wird, statt als „Flieger auf Schienen“, Störfaktor und Landschaftszerstörer.

Vom Journalisten Franz Alt über die Kabarettistinnen Christine Prayon und Helmut Schleich bis zum Schauspieler Walter Sittler und dem „Erfinder des Inter-Regio“ Karl-Dieter Bodack reicht die Palette derer, die die Kanzlerin auffordern, ihren Ausspruch von 2010 „…an Stuttgart 21 entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit Deutschlands“ „als Fehleinschätzung zu revidieren“. Sie wenden sich mit ihrer Forderung nach einer Klima-Kurskorrektur bewusst an die Kanzlerin, die auch in der Atompolitik zu einer 180-Grad-Wende in der Lage war.

Mit dem vom „Aktionsbündnis gegen S21“, der „Schutzgemeinschaft Filder e.V.“ und dem „Bündnis Bahn für alle“ initiierten Offenen Brief wollen die Verfasser die Kanzlerin für die Einsicht gewinnen, dass die Klimaziele für die Region Stuttgart nur durch ein tabuloses Umsteuern auch beim Prestige-Projekt Stuttgart 21 erreicht werden können. Die Bundesregierung strebe aus gutem Grund für die Bahn einen Deutschland-Takt an; währenddessen werde aber in Stuttgart an einer „Fehlplanung“ gebaut, die schon vor ihrer Eröffnung mit fast 50 Kilometer zusätzlichen Klima und Umwelt belastenden Tunnels ergänzt werden müsse, ohne die Leistung des bestehenden Bahnhofs zu erreichen.

Traurige neue Aktualität hat die Brief-Passage „Bewahren Sie die künftigen Fahrgäste vor unabsehbarem Schaden an Leib und Leben“ gewonnen: Auch vor dem Hintergrund der neuesten (Seil-)Bahn-Katastrophe am Lago Maggiore (wie zuvor der ICE-Katastrophe von Eschede 1998 und des ICE-Brands von Montabaur im Jahr 2018) appelliert Bündnissprecher Dr. Eisenhart von Loeper angesichts des aus Sicht vieler Fachleute völlig unzureichenden Brandschutzkonzepts für S21 an die Kanzlerin: „Setzen Sie ein unüberhörbares Signal! Schweigen Sie nicht länger! Laden Sie nicht unermessliche Schuld auf sich!“

Kontakt (Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S21):
Eisenhart von Loeper, 07452 4995
Martin Poguntke, 0151 403 602 56

 

Stuttgarter Aufruf zur Klima- und Verkehrspolitik

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

jüngst hat das Bundesverfassungsgericht Ihrer Regierung die „Karlsruher Klima-Klatsche“ verabreicht und den existentiellen Freiheitsrechten der jüngeren Generation auf ihre Zukunft einen heute schon verbindlichen Verfassungsrang verliehen. Grund genug, hier eine Wende weg vom halbherzigen Hinhalten hin zu realen Maßnahmen zum Erreichen der Klimaziele zu vollziehen. Wie Sie wissen, trägt der weitgehend fossil betriebene Verkehr entscheidend zur Klimakrise bei – ein sofortiges Umsteuern in der Verkehrs- und speziell in der Bahnpolitik wäre damit dringend geboten.

Uns erscheint es gerade jetzt und durch Sie notwendig, Ihre Äußerung vom September 2010, „…an Stuttgart 21 entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit Deutschlands“ als Fehleinschätzung zu revidieren. Denn fatal und immer deutlicher feststellbar sind nicht zu verantwortende Mängel beim Brandschutz, grundlegende und fortdauernde Fehlplanungen mit Bahnsteig-Schräglage, Kapazitäts-Abbau, Gäubahn-Kappung, Flughafen-Chaos, Anhydrit, Grundwasser, … Bewahren Sie die künftigen Fahrgäste vor unabsehbarem Schaden an Leib und Leben[1].

Die jüngst angekündigten gigantischen Tunnel-Zubauten werden die Fehlplanung nicht kaschieren können, dafür aber Klima und Umwelt weiter belasten – ganz zu schweigen von der absoluten Unverträglichkeit mit dem von ihrer Regierung initiierten Deutschland-Takt.[2]

Dieses umfassende Projekt wurde mit dem Ziel ins Leben gerufen, endlich mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen und die Zahl der Fahrgäste zu verdoppeln – ein hehres und begrüßenswertes Ziel. Doch mit maßlosen 300 km/h-Hochgeschwindigkeitsstrecken, „verschlankten“ Bahnknoten und endlosen Tunnelgrabungen, die jetzt unter dem Label Deutschlandtakt durchgeboxt werden sollen, werden die Klimaziele und die jetzt in Karlsruhe bestätigten völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands aus dem Pariser Klimaschutzabkommen konterkariert, und wertvolle Ressourcen werden einem sinnvollen Bahn-Ausbau in der Fläche entzogen: Der Bau eines Gleiskilometers unter der Erde erzeugt so viel Treibhausgas wie 26.000 Autos im Jahr.[3]

Deshalb appellieren wir heute an Sie: Nehmen Sie das Karlsruher Urteil ernst, geben Sie Klima- und Umweltschutz eine Chance – auch und vor allem in der Verkehrspolitik! Beenden Sie das neue Possenspiel um Ergänzungsbahnhof und weitere endlose Zusatztunnels, engagieren Sie sich für das umweltbewusste Umsteuern bei Stuttgart 21 und in der Bahnpolitik, und sorgen Sie für einen maßvollen, den Bedürfnissen der Fahrgäste, des Umwelt- und Landschaftsschutzes verpflichteten Ausbau der (Schienen-) Verkehrs-Infrastruktur.

Räumen Sie die kontraproduktiven, Klima-schädlichen Bahnprojekte aus der deutschen Verkehrslandschaft und aus den Augen einer Nachwelt, vor der nur das wirklich Zukunftsfähige Bestand hat. Dazu gehört eine Bahn, die ihre Fahrgäste vor Ort abholt und wieder als Verkehrsmittel für alle statt als „Flieger auf Schienen“, Störfaktor und Landschaftszerstörer wahrgenommen wird.

Franz Alt                                                                                                          Dipl.-Ing. Frank Distel
Journalist und Buchautor, Baden-Baden      Verkehrsfachmann, Baubürgermeister a. D.

Prof. Dipl.-Ing. Karl-Dieter Bodack, M.S.                                        Dr. Bernhard Knierim
Ingenieur und Designer, Gröbenzell      Politikwissenschaftler, Sprecher Bahn für Alle

Christine Prayon                                                                                       Dr. Eisenhart v. Loeper
Schauspielerin und Kabarettistin, Stuttgart Rechtsanwalt, Sprecher Aktionsbündnis

Helmut Schleich                                                                                                    Dieter Reicherter
Kabarettist, München                                           Vorsitzender Richter am Landgericht a. D.

Walter Sittler                                                                                                                  Steffen Siegel
Schauspieler und Filmproduzent, Stuttgart  Vorsitzender Schutzgemeinschaft Filder

[1] Siehe dazu auch aktuell ARD, Report, 30.03.21

[2] Für eine zusammenfassende Darstellung und Analyse verweisen wir auf http://wikireal.info/wiki/Stuttgart_21

[3] https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/unterirdische-orgien