Für Stuttgart 21 wurden „Kaltereignisse“ als „Brand“ereignisse ausgegeben
Durch eingehende Analyse der Unterlagen zur S21-Brandschutzplanung der Deutschen Bahn hat das „Aktionsbündnis gegen S21“ aufgedeckt, dass die Bahn jahrelang Behörden, parlamentarische Gremien und Gerichte getäuscht hat: Die angeblichen Simulationen eines Brandereignisses und der anschließenden Rettung der Fahrgäste aus S21-Tunnels basieren lediglich auf „kalten“ Störfällen, bei denen kein Feuer und keinerlei giftiger Rauch vorkommen.
Dieter Reicherter, Vorsitzender Richter am Landgericht a.D. und einer der Juristen des Aktionsbündnisses: „Jahrelang hatte die Bahn lediglich ‚Handrechnungen‘ als Nachweis dafür vorgelegt, dass 1.757 Menschen – so viel fasst ein Doppelstockzug – innerhalb von 15 Minuten aus einem brennenden Zug im Tunnel gerettet werden könnten. Sie behauptete, Computersimulationen hätten ihre Handrechnungen bestätigt, obwohl sie tatsächlich weder damals noch später über solche Simulationen verfügte. Und das Verkehrsminister Andreas Scheuer unterstellte Eisenbahnbundesamt hat auf dieser untauglichen Grundlage Genehmigungen erteilt.“
Erst jetzt räumt die Bahn – in die Enge getrieben – ein, dass es sich bei einem Bericht der beauftragten Schweizer Firma Gruner AG nur um Simulationen für die Evakuierung bei einem Kaltereignis handelt. Da es bis heute für die Räumung von Zügen kein spezielles Simulationsprogramm gibt, wurden übrigens die Verhältnisse auf einem Schiff zugrunde gelegt. In der Mobilität eingeschränkte Menschen wurden überhaupt nicht berücksichtigt, was die Bahn jetzt ebenfalls eingestehen musste.
Zwischenzeitlich haben reale Zugbrände und praktische Rettungsübungen mehrfach weit längere Evakuierungszeiten gezeigt als die von der Bahn behaupteten. Insbesondere bleibt aber die Gefahr unberücksichtigt, dass sich die tödlichen Rauchgase im Tunnel schneller ausbreiten als die Menschen fliehen können. Bezeichnend ist auch, dass die S21-Tunnel in puncto Sicherheit noch nicht einmal dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Im Gegensatz etwa zum Eurotunnel aus den 1980-er-Jahren und der zurzeit geplanten zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München fehlt die nötige „dritte Röhre“, um Feuerwehr und Rettungsdienste unverzüglich zur Brandstelle gelangen zu lassen. Bei S 21 müssen die Einsatzkräfte durch die Gegenröhre einfahren – allerdings erst, wenn dort alle Züge ausgefahren und die Leitungen geerdet sind.
Trotz Kenntnis dieser Umstände entziehen sich Regierungspräsidium, Stuttgarter Feuerwehr und oberster Katastrophenschützer des Landes, Innenminister Thomas Strobl ihrer Verantwortung und zeigen sich bislang nicht gesprächsbereit. Das Aktionsbündnis fordert deshalb einen Baustopp, bis existenzielle Probleme wie der Brandschutz gelöst sind. Ein Weiterwursteln wie bisher birgt die Gefahr einer Bauruine: Nach vielen weiteren Jahren und Milliardenausgaben könnte dem Projekt die Inbetriebnahme-Genehmigung verweigert werden. Zumindest aber sind massive Kapazitätsverluste zu erwarten, wenn aus Sicherheitsgründen weit weniger Züge als vorgesehen die Tunnel werden befahren können.
Kontakt: Dieter Reicherter, 07192 930 522
Martin Poguntke, 0151 403 602 56
Hinweis „Report Mainz“, 30. März 2021, 21.45 Uhr:
(u.a.) „Mangelnder Brandschutz bei Stuttgart 21? Kritiker erheben schwere Vorwürfe“.