Werners Rundmail vom 8.7.22

(hier als pdf-Datei)

Liebe Freundinnen und Freunde,
am kommenden Sonntag um 11h große Kundgebung der Schutzgemeinschaft Filder und der dortigen Bauern auf dem mutmaßlichen Baufeld des geplanten Pfaffensteigtunnels!
Trotz krisenbelasteter öffentlicher Haushalte sollen weitere 2.7 Mrd.€ für einen weiteren 11,5km langen zweiröhrigen S21-Tunnel ausgegeben werden. Und noch skandalöser: während weltweit Menschen aufgrund des fortschreitenden Klimawandels leiden, fliehen müssen, obdachlos werden und sterben – bei Gletscherabbrüchen, Dürren, Waldbränden oder Überflutungen, sollen hier für ein längst gescheitertes Projekt weitere 355 000 t Treibhausgase1) emittiert und wertvolle Ackerflächen vernichtet werden, die angesichts der weltweiten Hungerkrise dringend gebraucht werden. Ein Klimaverbrechen, das Teil des Koalitionsvertrags der grün (!) – schwarzen baden-württembergischen Landesregierung ist! Das ist nicht Realpolitik, das ist Irrealpolitik!

1) Allein bezogen auf den Tunnelbau, laut Gutachten Karlheinz Rößler 2021. Gesamtemissionen laut Schutzgemeinschaft Filder: 600.000t CO2

„Stoppt den weiteren Landraub auf den fruchtbaren Fildern!“ heißt es im Aufruf der Schutzgemeinschaft, „was jetzt geplant ist, stellt unsere Zukunft und die unserer Kinder in Frage!“

Zugleich läutet die Filderdemo eine neue Etappe im Widerstand gegen Deutschlands dümmstes Großprojekt ein: den Kampf gegen Stuttgart 21 II.

Damit sind die vier sogenannten Ergänzungsprojekte des Koalitionsvertrags gemeint, mit denen das Stuttgart 21, um das es bisher immer ging und weiter gehen wird, vor dem finalen Scheitern gerettet werden soll.
Seit über 20 Jahren hätten die Verantwortlichen wissen können, dass es bahntechnisch nicht machbar ist, den Fernverkehr zusätzlich zu den dicht getakteten S-Bahnen (Mischverkehr) auf der Fildertrasse nach Westen zu führen. Der Pfaffensteigtunnel ist eine kaum verbrämte Kapitulationserklärung für das Scheitern der bisherigen Planungen – und seinerseits das vorprogrammierte nächste Scheitern: er ist klimapolitisch unverantwortlich, hängt Singen und Böblingen vom Fernverkehr ab und würde erst Ende der 30er Jahre fertig.
Nicht minder absurd ist ein weiteres Projekt von Stuttgart21 II: Winnie Hermanns Idee eines ergänzenden unterirdischen Kopfbahnhofs. Weil Deutschlands dümmstes Großprojekt von vornherein zu klein geplant war und nun gebaut wird, kämpft Hermann jetzt für einen sechsgleisigen unterirdischen Kopfbahnhof. Dem ungläubigen Zuhörer muss man das immer zweimal erläutern: Oberirdisch sollen 16 funktions- und ausbaufähige Gleise abgerissen werden, um einem zu kleinen Bahnhof zu weichen, der dann unterirdisch wieder um 6 Gleise ergänzt werden soll. Auch das eine kaum verbrämte technische Kapitulationserklärung von Stuttgart21! Oder wenn man‘s humoristisch sehen will: der perfekte Schildbürgerstreich!
Noch sind Bagger und Baumaschinen auf der zu erwartenden riesigen Baueinrichtungsfläche nicht aufgefahren. Wenn es so weit kommt mit diesem ersten der vier Projekte von Stuttgart 21 II, werden sicher auch wieder Aktionsformen aus den Anfängen des Protests gegen Stuttgart21 (I) aktuell.

Hier noch ein genauer Lageplan und ein paar Tipps der Schutzgemeinschaft, damit die Anfahrt und Anreise zur Kundgebung problemlos möglich sind:

Aus dem Raum Stuttgart ist der Langwieser See / Hof Gehrung über die Bushaltestelle (HST) Plieningen Post gut zu erreichen:
• Aus Stuttgart Linien: 65, 70,73,74,76 zur HST Post
• Aus Neuhausen fährt der 73er zur HST Post
• Aus Filderstadt-Bernhausen Linien 74 und 76 zur HST Post
Von der HST Post ist der kürzeste Weg zu den Langwiesen die Straße “Am Halfgarten” hoch, ca. 15 Minuten zum Langwieser See.
• Aus Scharnhausen der 122 zur HST Post oder HST “Im Köpfert” (nahe Hof Gehrung, ca. 5 Min. zu Fuß)

Genau genommen ist die Filderdemo am Sonntag nicht die erste, bei der gegen Stuttgart21 II protestiert wird. Auf den Montagsdemos ist das schon seit langem Thema!

Die nächste Volkshochschule unter freien Himmel ist die

619. Montagsdemo am 11. Juli ab 18 Uhr auf dem Schlossplatz
mit
Carly Schweizer, Sprecher der Aktionsgemeinschaft Inselbahnhof
Bernd Riexinger, Stuttgarter MdB ‘Die LINKE’ und Mitglied des Verkehrsausschusses des Bundestags
Rainer Markus Wimmer; kabarettistisch poetischer Liedermacher und Autor
Michael Kaufmann, Badener gegen Stuttgart 21, Moderation

Danach: Demozug zur Mahnwache und Schwabenstreich
Davor: Raddemo 17.45h ab Feuerbach – gesund + aktiv zur MoDemo!

& Gruß von Werner, auf Twitter: @WernerBorn_

Längst überfällige Konsequenz aus langjähriger Fehlplanung

Zum Planungsstopp für die Stuttgart-21-Fildertrasse West (PFA 1.3b)

„Besser spät als gar nicht bemerken nun die Verantwortlichen das Scheitern der S21-Filderplanungen“, so Steffen Siegel von der Schutzgemeinschaft Filder zu den gestern vom Grünen Regierungspräsidenten Wolfgang Reimer veranlassten Stopp der Anhörungen – und damit des Planungsverfahrens – für den Fildertrassenabschnitt, der die Gäubahn zum Flughafen führen sollte. Seit Jahren ist die Strecke wegen des dort vorgesehenen Mischverkehrs umstritten, der die gemeinsame Nutzung der ohnehin stark belasteten S-Bahnverbindung mit dem zusätzlichen Fernverkehr von/zum Süden von/zum Flughafen bzw. Hauptbahnhof überfordert hätte.

Die jetzt vorgeschlagene Lösung eines zehn Kilometer langen doppelröhrigen Tunnels toppt allerdings noch die bisherigen Fehlplanungen. Er würde weitere Milliarden kosten, eine Fertigstellung auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben, Notlösungen der Gäubahnanbindung verewigen und vor allem mit weiteren hunderttausenden Tonnen an CO2-Emmissionen Öl ins Feuer der Erderwärmung gießen. (Das Aktionsbündnis wird hierzu in den nächsten Tagen eine Studie über Klimaauswirkungen und Kostenfolgen der sog. Ergänzungsprojekte veröffentlichen.)

Als historisches Kuriosum bewertet es Siegel, dass nun ausgerechnet eine Initiative aus den Reihen der CDU den entscheidenden Sargnagel für die seit über 20 Jahren geplante und von den S21-Kritikern immer als bahntechnisches NoGo bemängelte Trasse einschlägt: Steffen Bilger, CDU-Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, hatte mit seiner „Alternativlösung“ indirekt die bisherige 20-jährige Fehlplanung bestätigt, worauf Reimer die längst überfällige Konsequenz zog, dass nicht weitergeplant oder gar gebaut werden könne, wenn die bisherige Lösung zumindest massiv infrage steht.

Statt zwischen zwei gleichermaßen untauglichen Lösungen zu wählen, fordert Steffen Siegel auch im Namen des Aktionsbündnisses den unbefristeten Erhalt der Panoramabahn und ihre oberirdische Zuführung in den Hauptbahnhof.

Wie hier gebietet die Vernunft auch an anderen Stellen des Projekts zumindest ein Innehalten bis die Vorbehalte gegen die bisherige Planung entweder entkräftet oder durch praktikable, d.h. finanzierbare und klimaverträgliche Alternativen ersetzt werden können. Das gilt für den Weiterbau am östlichen Teil der Fildertrasse (vom Flughafen bis zum geplanten Fildertunnel), die nur künstlich vom Planungsabschnitt West getrennt wurde. Das gilt für den City-Tiefbahnhof selbst, der wegen seiner Kapazitätsmängel durch den Vorschlag eines unterirdischen Ergänzungs-Kopfbahnhofs von Verkehrsminister Hermann ebenso infrage gestellt wird wie die bisherige Fildertrasse von Staatssekretär Bilger. Und das gilt besonders fürdie S21-Tunnelanlagen, deren mangelnder Brandschutz massiv in der Kritik steht.

Kontakt:
Steffen Siegel 0162 692 51 86
Werner Sauerborn 0171 320 980 1

 

Bahn baut Todestunnel

(PM als pdf-Datei)
(Anlage als pdf-Datei)

Nach gerichtlich erzwungenem Einblick in die Brandschutzpläne der DB wird klar:

Bahn baut Todestunnel

Nach eingehender Analyse ihres Rettungskonzepts im Falle eines Zugbrands im Fildertunnel wird sehr verständlich, warum sich die DB monatelang mit Zähnen und Klauen gegen jede Einsicht in die entsprechende Betriebssimulation gewehrt hat, so Eisenhart von Loeper, Rechtsanwalt und Sprecher des Aktionsbündnisses. Bis zum VGH Mannheim hatten die Ingenieure22 streiten müssen, um an die brisanten Unterlagen zu kommen.

Am 17.12.2019 endlich, sowie am 31.01.2020, konnte ein Expertenteam der Ingenieure22 die sog. „Folie 11“ und Unterlagen zur Tunnelsimulation der von der DB beauftragten Schweizer Beratungsfirma GRUNER AG einsehen. Untersuchungsfall war der Brand eines mit 1.757 Menschen besetzten ICE im Fildertunnel. Es folgte eine monatelange Datenanalyse innerhalb des Expertenteams der Ingenieure 22, auch mit Prüfungen mittels eines anderen Simulationsprogramms.

Der Befund:

In der Simulation, auf die sich die DB stützt, konnten massive Manipulationen nachgewiesen werden, um eine Zeit zur Selbstrettung von 15 Minuten nachzuweisen:

Zugrunde gelegt wurden die jeweils günstigeren Werte, weil sonst die Selbstrettungszeit schon rechnerisch nicht hätte eingehalten werden können.

  • Es wird unterstellt, dass der brennende ICE mittig zwischen 2 Rettungsstollen  (Abstand 500 m) zum Stehen kommt. Dass der nächstliegende Rettungsstollen durch aufsteigende Rauchentwicklung oder den brennenden Zug selbst versperrt sein könnte, wodurch sich der Fluchtweg dann auf bis zu 500 m erhöhen würde, wird ignoriert.
  • Für die Berechnung der benötigten Zeit, um im Zuginnern zu den Türen zu gelangen, wurde die Simulation programmbedingt mit einem ICE ohne Sitze durchgeführt.
  • Der bei einem Doppelstockzug entstehende Rückstau an den Treppen zwischen den Etagen wurde nicht eingeplant.
  • Die Ausstiegshöhe von den Zugtüren zu den Fluchtwegen beträgt über 90 cm, zu viel für Kleinkinder, Alte und Behinderte. Hierzu sollen laut DB 4 Zugbegleiter alle in den Decken installierten Trittleitern so schnell anbringen, dass alle 1.757 Menschen innerhalb von 2 Minuten ausgestiegen sind.
  • Die über die Hälfte der Fluchtwege in Anspruch nehmenden Rettungsleitern behindern aber die Flüchtenden aus den dahinter liegenden Zugabteilen.
  • Die Fluchtgeschwindigkeit vom Zug zum Querschlag wurde mit 1,34 m/sec, also 84 m/min, angesetzt, obwohl das Regelwerk nur 38 m/min vorsieht. Das liegt daran, dass auf den engen Fluchtwegen von nur 120 cm Breite, die teilweise sogar bis auf ca. 60 cm verengt sind, die Langsamsten das Tempo bestimmen und nicht überholt werden können.
  • Auch der durch die engen Fluchtwege bewirkte Rückstau wurde nicht berücksichtigt. Nach den Richtlinien der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes benötigen die 1.757 Personen bei einer Fluchtwegbreite von 120 cm allein schon 22,2 Minuten zum Passieren.
  • Obwohl selbst im günstigsten Fall bei einem mit 1.757 Personen voll besetzten Zug durch jede der beiden Schleusen fast 900 Menschen in die zweite Tunnelröhre fliehen müssen, wurde pro Schleuse nur mit 600 Personen gerechnet.
  • Nicht berücksichtigt wurde, dass erst in die zweite Röhre gewechselt werden kann, wenn der Bahnverkehr in der zweiten Röhre eingestellt ist.
  • „Als Hauptmangel beanstanden wir, dass es keine Aussagen zur Rauchausbreitung bei der Entfluchtung gibt“, so Dipl.-Ing. Wolfgang Jakubeit vom Expertenteam der Ingenieure 22.
  • Auch das durch die Rauchausbreitung hervorgerufene „Panik-Verhalten“ der Flüchtenden bleibe in den Simulationen gänzlich unberücksichtigt. Empirische Erfahrungen zeigen, dass bereits kurz nach Evakuierungsbeginn für alle Fahrgäste und Bahn-Mitarbeiter des Zuges, also für bis zu 1.757 Personen, akute Lebensgefahr durch den sich rasch ausbreitenden Rauch besteht.
  • Der bei einem Zugbrand im engen S21-Tunnel freigesetzte Brandrauch breitet sich mit 2,5 – 3 m/s aus; das ist etwa dreimal schneller als die mögliche Fluchtgeschwindigkeit. Die Flüchtenden werden vom tödlichen Rauchgas eingeholt und kommen darin zu Tode, bevor die Rettungsstollen erreicht werden können.  Das Todesrisiko liegt wegen der viel zu langen Entfluchtungszeit bei nahezu 100%!

Dieser Befund, so von Loeper, „rechtfertigt eine drastische Wortwahl: Die Bahn baut hier einen Todestunnel und sie hat Politik und Öffentlichkeit massiv über die Risiken der S21-Tunnel getäuscht!“ Die Bahn und ihre Architekt:innen mögen spektakuläre Kelchstützen bauen können, geben Millionen für geschönte Werbung aus, bei einem Bahnknoten in Stuttgart aber, der den verfassungsgemäßen Schutz von Leib und Leben gewährleisten muss, versagen sie. „Gerade wo jetzt den Menschen harte Einschränkungen zum Schutz von Leben und Gesundheit zugemutet werden, muss Schluss sein mit dem Tolerieren und Ignorieren der lebensbedrohlichen Risiken bei Stuttgart 21“ so von Loeper an die Adresse der politisch Verantwortlichen in Stadt und Land. Eine Planfeststellung, die derart fundamentale Fakten nicht berücksichtigt, selbst wenn sie erst später bekannt wurden, muss aufgehoben werden.

Nach dem Planfeststellungsverfahren würde die abschließende Betriebsgenehmigung samt Brandschutzkonzept erst kurz vor Inbetriebnahme der fertiggestellten Anlagen erteilt. Wenn nicht das Eisenbahnbundesamt, wie schon so oft, regelwidrige Sondergenehmigungen erteilt, kann es unter den gegebenen Bedingungen niemals eine Betriebsgenehmigung geben, so Wolfgang Jakubeit von den Ingenieuren 22. Die Mängel seinen anders als beim BER auch mit jahrelangen und milliardenteuren Nachbesserungen kaum zu beheben.

Bündnissprecher von Loeper und auch Dieter Reicherter, vorsitzender Richter am Landgericht a.D., fordern das Eisenbahnbundesamt (EBA) auf, jetzt die Notbremse zu ziehen und die bisherigen Planungen aufzuheben.

Insbesondere an OB Kuhn appelliert von Loeper, den Kopf aus dem Sand zu nehmen. Die Aufdeckung der dramatischen Risiken dieses Großprojekts in Stuttgart wäre zuvörderst seine Aufgabe und die seiner Behörden gewesen. Umso mehr dankte von Loeper den Ingenieuren für ihre hochkompetente ehrenamtliche Aufklärung.

Anlage:
Schreiben mit den detaillierten Befunden der Ingenieure 22 (Dipl.-Ing. Wolfgang Jakubeit, Dipl.-Ing. Hans Heydemann,  Dipl.-Phys. Wolfgang Kuebart)  an die Verantwortlichen der Bahn, beim Land, der Region und der Stadt vom  27.4. (Beispiel Schreiben an den Brandschutzbeauftragten der PSU, Herrn Bitzer). Bis heute haben sie nicht einmal eine Empfangsbestätigung erhalten.