PM: Korruptionsvorwürfe wegen Stuttgart21

(hier als pdf-Datei)

Gegner: “Das passt!”

Angesichts des heute von der Financial Times veröffentlichten Korruptionsskandals beim S21-Projekt fordert das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 von der designierten Bundesregierung die umgehende Aufklärung der Vorwürfe und von der Staatsanwaltschaft Ermittlungen zu möglichen Straftaten. FT zufolge haben leitende Mitarbeiter der Bahntochter PSU (DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH) Schäden in Höhe von 600 Millionen Euro durch mutwillige Vergaben von überteuerten oder unnötigen Aufträgen verursacht, um dafür Bestechungsgelder zu erhalten. Danach habe die interne Compliance-Stelle der Bahn versagt, weil die Namen von Whistleblowern an den örtlichen Arbeitgeber durchgestochen worden seien und daraufhin ein Betroffener unter Vorwänden gekündigt worden sei. Um die Aufdeckung der als Folge der Korruption entstandenen Kostensteigerungen des Projekts zu verhindern, habe man trotz rechtlicher Verpflichtung der Stadt Stuttgart zur Kostenbeteiligung an einem Kreuzungsbauwerk der Stadtbahn deren Zahlung nicht eingefordert, weil man die Überprüfung der Rechnungen befürchtet habe.

Der von FT kolportierte Vorgang wäre nicht der erste Korruptionsskandal um Stuttgart 21. Schon 2015 hatten sich die Juristen zu S21 an die europäische Korruptionsbehörde OLAF mit dem Vorwurf gewandt, für das S21-Projekt seien mit falschen Angaben 115 Mio. EU-Fördermittel erschlichen worden.

Ein absurdes Projekt wie Stuttgart21 konnte nur so weit vorangetrieben werden, weil von Anfang an Fakten wie z.B. zur Leistungsfähigkeit und den Kosten geleugnet oder frei erfunden und Transparenzanforderungen ignoriert wurden.

Derzeit bemüht sich das Aktionsbündnis um Aufdeckung der klimapolitischen Folgen von Stuttgart 21, insbesondere der von der Landesregierung beschlossenen “Ergänzungsprojekte” mit weiteren 47 Kilometern Tunnelbau.

Kontakt: Dieter Reicherter, Juristen zu Stuttgart 21 im Aktionsbündnis: 0151 263711 31
Werner Sauerborn: 0171 320 98 01

S21: erheblicher Teil der Kostensteigerung durch eklatantes Missmanagement und Korruptionsverdacht

Financial Times Deutschland enthüllt
(https://www.ft.com/content/7373c137-80ce-4a23-8257-9be3e8af0297):

Whistleblower der Deutschen Bahn berichteten über Betrug bei Deutschlands größtem Infrastrukturprojekt

(Leider mussten wir aus rechtlichen Gründen die Übersetzung des Artikels wieder von unserer Seite entfernen.)

Strafvereitelung durch Berliner Staatsanwälte?

Der unwirtschaftliche Weiterbau des Großprojekts „Stuttgart 21“ wirft lange Schatten auf das Kanzleramt und die Bahn-Verantwortlichen wegen Untreue.

Zwei engagierte Juristen und Gegner des Bahnprojekts „Stuttgart 21“, Dr. Eisenhart von Loeper und Dieter Reicherter, haben Strafanzeige gegen zwei Berliner Staatsanwälte erstattet, weil sie jegliche Ermittlungen wegen des Tatverdachts der Untreue gegen die Bahn-Vorstände Rüdiger Grube, Volker Kefer verweigert haben. Auch Bahn-Aufsichtsräte, Staatssekretäre sowie Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und Ex-Wirtschaftsminister Philipp Rösler scheinen gegen die Strafverfolgungsbehörden immun zu sein. Dank der frappierenden Untätigkeit der zuständigen Hauptstadt-Staatsanwälte – vorerst zumindest.

Das Kanzleramt selbst, hat inzwischen Dokumente freigeben müssen, die untermauern, wie sehr die frühere Bundesregierung 2013 mit aller Macht die gewünschten Entscheidungen des Bahn-Aufsichtsrats herbeigeführt hat. Allem zum Trotz und entgegen dem unwirtschaftlichen Weiterbau von Stuttgart 21.

Anzeigeerstatter Eisenhart von Loeper, Rechtsanwalt und Sprecher des „Aktionsbündnisses gegen S21“ und Dieter Reicherter, selbst ehemaliger Staatsanwalt und Vorsitzender Richter am Landgericht Stuttgart a.D., haben Rückenwind durch ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs: Denn dieser erklärt staatsanwaltliche Ermittlungen bereits für geboten, wenn sich die beschuldigten „Vortäter“ auch nur möglicherweise der Straftat schuldig gemacht haben. Rechtsanwalt Eisenhart von Loeper nennt das Ermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen des Weiterbau-Beschlusses zu S 21 jetzt „unausweichlich“.

Das Brisante dabei: Die Berliner Staatsanwaltschaft und die Generalstaatsanwaltschaft hätten deshalb nicht ermittelt, weil die Angezeigten durch den Weiterbau von S 21 nicht nachweislich eine Schädigung der Bahn in Kauf genommen hätten. „Niemand kann aber das mögliche Verschulden der Tatverdächtigen ernsthaft in Zweifel ziehen, so dass jede weitere Verweigerung der Ermittlungen eine Strafvereitelung bedeuten würde“, erklärt Eisenhart von Loeper.

Dieter Reicherter, prominenter Mit-Anzeigeerstatter, hält es aufgrund seiner langjährigen Erfahrung als Strafrichter für „sehr ungewöhnlich“, dass die Strafverfolgungsbehörde umfangreiche Dokumente und Eingeständnisse ausgerechnet des Kanzleramts, die zusammen mit anderen Faktoren ein „erdrückendes Beweismaterial“ für eine weitere Aufklärung ergäben, völlig ignoriere.

Rechtsanwalt Dr. Eisenhart von Loeper hat deshalb den Berliner Justizsenator Thomas Heilmann um den gesetzlich gewährten Informationszugang zu allen Berichten ersucht, die zwischen der Senatsverwaltung und den ihr nachgeordneten Berliner Stafverfolgungs-behörden im Zusammenhang mit den erstatteten Strafanzeigen gewechselt wurden.

Drei Staatssekretäre der Bundesregierung aus dem Verkehrs-, Finanz- und Wirtschaftsressort hatten, weil die Deutsche Bahn Aktiengesellschaft im bundeseigenen Besitz liegt, dort als Aufsichtsräte kraft Gesetzes weisungsunabhängig ihre Entscheidung allein am Wohl dieses Unternehmens zu orientieren. Nachdem ein Dossier aus dem Bundesverkehrsministerium durchgesickert war, das die Berechnungen der Bahn zu den Ausstiegskosten von S 21 für „nicht belastbar“ erklärt und Verhandlungen mit den Projektpartnern über den Ausstieg befürwortet hatte, war das Kanzleramt darüber hochgradig alarmiert, wie dessen Dokumente belegen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich, wie die Vermerke ihrer Mitarbeiter hervorheben, nachhaltig „zu S 21 bekannt“ und ließ nun auf breiter Front vorbehaltlos und definitiv den Weiterbau des Großprojekts verkünden, als wenn der Bahn-Aufsichtsrat nichts zu entscheiden hätte. Die Staatssekretäre gerieten dadurch in ein Dilemma, das ihnen der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S 21 in mehreren Schreiben persönlich vor Augen geführt hatte: Wenn sie ihre Entscheidung gesetzwidrig nicht am Unternehmenswohl der Deutschen Bahn ausrichten würden, werde das strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Allerdings ist vom damals maßgeblichen Ex-Kanzleramtschef bekannt, dass mit Abweichlern vom Fraktions- oder Regierungskurs nicht zimperlich umgegangen wird. In neuerer Zeit, ist auch Unionsfraktionschef Volker Kauder, mit dieser Haltung aufgefallen. Pofalla hatte Fraktionsabweichler Wolfgang Bosbach deshalb schon einmal erklärt, er könne „seine Fresse nicht mehr sehen“. Außerdem: „Ich kann deine Scheiße nicht mehr hören.“

Bekannt ist auch, dass die Bundeskanzlerin S 21 eine „übergroße Bedeutung“ beimisst und sich insoweit auf ihre grundgesetzliche Richtlinienkompetenz beruft (so noch jüngst deren Anwaltskanzlei im Prozess um die weitere Entschwärzung der Vermerke zu S 21 vor dem Verwaltungsgericht Berlin, obwohl keine Richtlinienkompetenz einen Rechtsbruch gestattet). Hätten sich die Staatssekretäre also gegen die Regierungslinie des unbedingten Weiterbaus von Stuttgart 21 gestellt, hätte sie dies voraussichtlich ihr Amt innerhalb der Regierung gekostet. Das Großprojekt Stuttgart 21 mit damals gut zwei Milliarden Kostendefizit wäre aber ohne das Einverständnis der Staatssekretäre nicht weitergebaut worden, weil sie im Aufsichtsrat eine führende Stellung inne hatten.

Ziemlich genau lässt sich inzwischen beurteilen, wie das Stimmverhalten der drei Staatssekretäre der Bundesregierung beim Beschluss über Stuttgart 21 am 5. März 2013 zustande kam:

Verkehrs-Staatssekretär Michael Odenwald hatte Gespräche mit Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla (heute übrigens im Vorstand der Deutschen Bahn) zu führen. Dazu hat er laut Kanzleramt schon im Voraus eruieren wollen, ob ein Ausstieg aus S 21 politisch akzeptabel sei, was unvereinbar war mit seiner Stellung als Bahn-Aufsichtsrat. Der Wirtschafts-Staatssekretär wurde nach einem präzisen Bericht der „Wirtschaftswoche“ nach einer Krisensitzung einzelner Aufsichtsräte noch kurz vor dem Termin des Aufsichtsrats von Ex-Wirtschaftsminister Rösler „auf Linie gebracht“. Bedeutet: politisch umgedreht

Einzig der Finanz-Staatssekretär hat sich dem Dilemma zwischen drohendem Amtsentzug und Strafverfolgung durch plötzliche Krankmeldung entzogen, ohne von seinem gesetzlichen Recht auf ein schriftliches Votum Gebrauch zu machen. All diese Fakten und sehr viel mehr haben die Anzeigeerstatter der Berliner Staatsanwaltschaften vorgetragen und untermauert. Doch diese verweigern die Ermittlungen, weil angeblich „tatsachenfundierte Anhaltspunkte“ für ein Verschulden der Angezeigten fehlen würden.

In Wahrheit wussten die Staatssekretäre, nicht minder die Bahn-Vorstände und Ex-Minister, entgegen den Berliner Staatsanwälten nach monatelanger Debatte sehr genau, dass sie die Schädigung des Unternehmens Deutsche Bahn durch den unwirtschaftlichen Weiterbau von S 21 in Kauf nehmen sollten, weil es politisch „von ganz oben“ so gewollt war.

Auf der nun zur Pressekonferenz freigeschalteten Internetseite:

www.Stuttgart21.Strafvereitelung.de

finden sich alle originalen Dokumente des Kanzleramtes, die Schriftwechsel zwischen den Anzeigeerstattern und den Staatsanwälten. Die Briefe an den Justizsenator von Berlin sowie weitere Hintergrund-Informationen und Links. Die Seite ist sowohl für Journalisten als auch interessierte Bürger interessant und wird in den kommenden Wochen weiter ausgebaut.

Dieser Auftaktkonferenz im November werden weitere Termine im Dezember folgen.

Ihre heutigen Gesprächspartner:

Rechtsanwalt Dr. Eisenhart von Loeper

Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S21

Dieter Reicherter
Vorsitzender Richter am Landgericht Stuttgart a.D.
und ehemaliger Staatsanwalt

Stuttgart 21 – ein gesellschaftlicher Schwarzbau

Sehr geehrte Damen und Herrn,

vor Ihnen steht ein Badener, dessen einzige Demo viele Jahrzehnte zurückliegt. Damals habe ich mich in einer Bürgerinitiative gegen die Bruchsaler B35-Nordumgehung engagiert. Sie konnte verhindert werden. Etwas zu bewirken war damals vielleicht noch einfacher möglich, da es in der Zeit weniger große Koalitionen gab. Es gab noch starken politischen Wettbewerb.

Inzwischen ist der gebürtige Bruchsaler 25 Jahre beruflich in der Welt herumgekommen und Schweizer geworden. Seit 14 Jahren lebe und arbeite ich an der Grenze zwischen der deutsch- und französischsprachigen Schweiz. Das ist weit weg von Stuttgart. Und dennoch stehe ich heute hier und biete Ihnen an, Sie in Ihrem Anliegen in den nächsten Monaten aktiv zu unterstützen. Warum? Weil S21 für mich ein Symbol für ein staatlich organisiertes und praktiziertes Unwesen beim Bauen in Deutschland ist. Keine Stadt der Welt hat es verdient, mit einem Projekt wie Stuttgart 21 gestraft zu werden.

Glaubwürdigkeit

Aber was kann ich als schweizer Publizist schon für Sie tun? Genau das, was Publizisten eben tun. Sie beeinflussen die öffentliche Meinung. Das Thema Bauen wurde zu meinem Spezialgebiet.

Am 21. Juli habe ich ein umfangreiches Buch mit dem Titel BauWesen/BauUnwesen herausgegeben. (Infos unter bauunwesen.de) Der Untertitel lautet: Warum geht Bauen in Deutschland schief? In der selben Woche war das Thema BauUnwesen mit einem großen Artikel in der Zeitung „Die Welt“. Am 28. Juli hat mich ein Kamerateam des ZDF völlig überraschend als Bauexperte zu Stuttgart 21 befragt. Zum Spatenstich am 4. August wurde dann ein Teil dieses Interviews im heute-journal einem Millionenpublikum gezeigt. Ich hatte wenige Sekunden Zeit, um den Zuschauen zu vermitteln, dass ich S21 für ein unsinniges und schädliches Projekt halte.

Motivation – Warum gehen Projekte schief?

Wie kam es, dass ich bis März 2015 meine ganze Kraft vollständig dem Stopp des Deutschen BauUnwesens widme? „Schuld“ daran ist ein Stuttgarter. Einer der vielen gewissenhaften und verantwortungsvollen Beamten, die es in Deutschland gibt und die sich täglich mit den schiefen Bauprojekten der öffentlichen Hand abplagen.

Dieser gute Beamte hat mich im letzten Jahr hier in der Stuttgarter Innenstadt zu einem privaten Essen eingeladen. Er bat mich, meine wirtschaftliche Unabhängigkeit zu nutzen, um etwas gegen die systematischen Missstände beim Bauen in Deutschland zu tun. Er beschrieb die Situation und eine Zukunftsperspektive, die gravierend genug war, dass ich versprach, mich an die Materie heranzutasten.

Im ersten Schritt ging ich der Frage „Warum gehen Bauprojekte schief?“ nach. Nach drei Monaten Recherche hatte ich die völlig überraschende Erkenntnis: Bauprojekte gehen beim Bauen nie wirklich schief; die Leute auf der Baustelle beherrschen Ihren Job und machen ihn gut. Wenn ein Bauprojekt ernsthaft schiefläuft, dann nur, weil das Projekt schon schief aufgesetzt wurde.

Und wenn das Fundament eines Projektes schief ist, können es die Bauleute nie mehr geraderücken. Und, meine Damen und Herren, S21 ist aus meiner Sicht eines der schiefsten Projekte Europas.

Was sind schiefe Bauprojekte?

Wie kann eigentlich ein Projekt schief aufgesetzt werden. Was heißt das konkret? Schief ist ein Bauprojekt, wenn es mit illusorisch tiefen Budgetzahlen gestartet wird. Diese Budgetzahlen werden bewusst so tief nach unten manipuliert, dass ein Projekt gerade noch genehmigt wird. Am Ende kostet es dann viel mehr als nötig. Der Schaden ist immens.
Die besten Beispiele dazu:

  • In Berlin sollte vor zehn Jahren ein Flughafen gebaut werden. Der war von Anfang an viel zu klein geplant. Er sollte nur 1,6 Mrd. kosten. Beim Bauen wurde er scheibchenweise um 40 Prozent erweitert. Die Technik des zu kleinen Flughafens hätte knapp kalkuliert 1,2 Mrd. gekostet. Im Budget war aber nur die Hälfte vorgesehen. Dafür wurden Aufträge vergeben. Das Ergebnis ist allen bekannt: Kosten in Höhe von über fünf Mrd. Euro, und wegen technischer Probleme ist kein verlässlicher Termin in Sicht.
  • In Hamburg wurde ein Weltklasse-Konzerthaus in den Hafenschlick gesetzt. Beim Spatenstich betrug das Budget 2000 Euro pro m2. Ein günstiges Konzerthaus in Freiburg kostete 1998 schon 5000 Euro/m2. Im Abschlussbericht wird deutlich: „Ohne Lügen und Vertuschung wäre die Elbphilharmonie nie gebaut worden“ („Die Zeit“, 7. April 2014). Dann hätten die Hamburger Bürger 800 Mio. Euro gespart. Und sie müssten nicht lebenslänglich drei Konzertsäle mit mehr als 50% der Betriebskosten (Referenz Berliner Philharmoniker) subventionieren. Das sind mehrere Millionen Euro zusätzliche Fixkosten für den Haushalt jedes Jahr.
  • Das nächste Beispiel kommt direkt als dem Herzen der Republik – ein Projekt genehmigt vom Deutschen Bundestag: Im Herzen Berlins wird das Stadtschloss der glorreichen preußischen Könige und deutschen Kaiser originalgetreu neu aufgebaut. Das Budget für den Grundausbau liegt bei 590 Mio. Hier fehlen sicher 190 Mio. Euro. Teile des Gebäudes wurden beim Budget einfach weggelassen.

Wenn man beim Budget betrügt, wird das Bauwerk noch viel teurer als nötig. Dem Volk wird etwas als billig verkauft und hinterher kostet es viel mehr als bei vernünftiger Kalkulation. Alle reden von Kostenexplosion, wenn das Bauwerk später 1,3 Milliarden kostet; dabei war alles nur eine Kostenillusion.

In NWR baute man ein Aktenarchiv für 30 Mio. Euro und endet bei 190 Mio. Euro. Mehr als zwei Jahre Untersuchungsausschuss und Millionen an Gutachterkosten finden die Ursache nicht. Der Bund der Steuerzahler könnte jedes Jahr ein dickes Buch mit solchen Projekten herausbringen. Und es wird immer schlimmer.

Die neue Bundesbauministerin stellte fest, dass 26 von 40 Projekten des Bundes aus dem Ruder laufen. Ihr Vorgänger wusste warum. Er hatte im April 2013 eine große Reformkommission eingesetzt. Das Ziel: „ (…) mehr Kostenwahrheit und Kostentransparenz erreichen. Schaden vom Ruf der Techniknation Deutschland abwenden (…).“ Das kam nicht gut an. Seinen Wahlkreis hat er bei der Bundestagswahl im Herbst 2013 mit über 70% der Stimmen gewonnen. Als Bundesbauminister wurde er abgesetzt. Mit Wahrheit und Transparenz bei öffentlichen Bauprojekten kann man in Deutschland nicht punkten.

Lug und Trug als gängige Verkehrspraxis

Von 40 Bundesprojekten sind angeblich 14 noch im Budget. Ich bin überzeugt, dass auch bei diesen Projekten die Zahlen frisiert sind. Das ist in Deutschland inzwischen auch völlig risikolos. Seit Juni 2013 sind die Akten des Bundesrechnungshofes nicht mehr der Öffentlichkeit zugänglich. Die öffentlichen Bauherren können behaupten was sie wollen, man kann es ja nicht widerlegen. Und die deutschen Beamten sind von Gesetzes wegen bei Untreue zur Verschwiegenheit verpflichtet. Nur bei Korruption dürfen sie ihr Wissen preisgeben. Wenn man ein schiefes Bauprojekt sicher erfolgreich machen will, nimmt man es in das Geheimschutzprogramm des Innministeriums auf. So werden die Budgetbetrüger noch vom BND geschützt.

Diese Möglichkeit hatte der Limburger Bischof leider nicht, deshalb flog er am Ende auf. Beim Bericht der Kirche über den Bischof von Limburg kann man nachlesen, wie das Vertuschen und Lügen bei öffentlichen Körperschaften funktioniert. Wochen vor seiner Absetzung hat der Bischof noch wissentlich den Gesandten des Papstes belogen und behauptet, die Kosten seien unter Kontrolle. Der Papst hat durchgegriffen und den unheiligen Mann abgesetzt.

Bei uns in Deutschland wird so etwas geehrt. So bekamen die Projektpfuscher des Berliner Flughafens BER alle noch ein Bundesverdienstkreuz verliehen. Das ist auf gutem Wege, gängige Verkehrspraxis in Deutschland zu werden. Für Anstifter und Verursacher des 800 Mio. Euro Debakels Elbphilharmonie gab es drei Bundesverdienstkreuze. Einer der Ausgezeichneten ist auch bei S21 mit Immobiliengeschäften stark engagiert. Wer sich mit Hilfe von Bauprojekten auf Kosten des Steuerzahler und der Bürger bereichert, hat Anspruch auf ein Bundesverdienstkreuz.

Das alles ist nur dank des Deutschen BauUnwesens völlig legal möglich. Die Logik von effizientem, sinnvollem Bauen wird komplett auf den Kopf gestellt. Und Stuttgart 21 ist das nächste Projekt in diesem Muster – wenn es weiter realisiert wird, lässt sich mein Buch sicher die nächsten 10 Jahre gut verkaufen. In diesem Sinne sollte ich mich nicht dagegen engagieren. Ich tue es trotzdem, weil es mich von Herzen schmerzt, was in meiner alten Heimat Deutschland läuft.

Wer mehr über das Engagement gegen das Deutsche BauUnwesen wissen will, ist herzlich um 19.30 Uhr ins Stuttgarter Rathaus eingeladen. Dort stelle ich kostenlos PDF-Files zur Verfügung (www.S21Unwesen.de), in denen alle Inhalte meines Buches zusammengefasst sind, die Ihnen gegen den Schwarzbau Stuttgart 21 helfen können. Ja, S21 ist ein gesellschaftlicher Schwarzbau. Es ist gesellschaftlich nicht legitimiert. Die ganze Abstimmung war eine Farce und ist für mich irrelevant. Solange nicht sichergestellt ist, dass eben nicht Lug und Trug bei öffentlichen Projekten die Regel und völlig gefahrlos straffrei sind, sollten keine solchen Neubauprojekte realisiert werden. Besser durch einen Baustopp 0.5 Mrd. Kosten haben, als 5 Mrd. Mehrkosten über die nächsten 10 Jahre. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

By the Way Bahnfahrer

Übrigens gibt es für mich persönlich einen ganz egoistischen Grund, warum ich gegen S21 bin. Ich bin ein begeisterter und überzeugter Bahnfahrer. Ich komme aus dem Bahnland Schweiz und habe dort meine Bahncard 100 (in Deutschland die Bahncard 50). Was die Bahn macht, ist mir wichtig, weil ich mit der Deutschen Bahn mehr km als mit dem PKW fahre.

Und ich möchte  nicht, dass die Bahn einen guten, funktionierenden Sackbahnhof zum Dauerproblem macht und in den Boden vergräbt. Im Juli steckte ich zweimal mehrere Stunden mit der Bahn fest. Einmal fiel ein Stellwerk in Göttingen aus und dann brannte ein Zug zwischen Bonn und Frankfurt. Die Bahn soll sich auf einen sicheren, effizienten Fahrbetrieb konzentrieren und ihre Ressourcen nicht bei Immobilienprojekten verschleißen. Diese Luxusprojekte machen nur jedes Bahnticket teurer.

Ein im Betrieb von Verkehrsbauwerken sehr erfahrener Freund hat geschätzt, dass die Betriebskosten für eine unterirdische Version des Stuttgarter Bahnhofes um jährlich 5 Millionen Euro steigen werden, nur weil er unter der Erde ist. Da ist noch keine Instandhaltung und Abschreibung für dieses extrem aufwändige Bauwerk eingerechnet. Da werden neue enorme Fixkostenblöcke aufgebaut, die wir für die nächste Generation hinterlassen. Wir verbauen heute deren finanzielle Spielräume.

In der Schweiz haben wir große Sackbahnhöfe wie Zürich und Luzern. Und trotzdem sind alle größeren Städte im Halbstundentakt verbunden. Das geht gut. Um noch mehr Verkehr zu bewältigen und noch schneller zu sein, werden bestehende Sackbahnhöfe Schritt für Schritt mit einzelnen unterirdischen Schnellbahnlinien erweitert.

Auf die abstruse Idee, den Zürcher Bahnhof unter die Erde zu legen, kamen vor einigen Jahren auch findige Immobilienleute. Da in der Schweiz, wie in praktisch allen entwickelten Ländern, bei Bauprojekten realistisch budgetiert wird, wurde allerdings schnell klar, dass sich das nie rechnet.

Nur in der europäischen Leitnation Deutschland werden Bauprojekte so billig gerechnet, wie es den Immobilienmagnaten im Hintergrund und den Protzpolitikern ins Bild passt. Es ist beschämend.

Resume:

Das Großprojekt S21 ist ein gesellschaftlicher Schwarzbau. Im Rahmen des deutschen BauUnwesens ist es ein unverantwortliches finanzielles und zeitliches Abenteuer. Es wird wie die anderen Großprojekte der öffentlichen Körperschaften sicher ein Mehrfaches des genehmigten Budgets kosten und einige Jahre länger dauern. Einen guten Bahnhof mitsamt Gleisanlagen zu vergraben macht wirtschaftlich nur für Immobilienmagnaten Sinn.

Forderung: Der alte Bahnhof bleibt und wird wie Zürich saniert. Neue unterirdische Schnellbahnlinien kommen bei Bedarf dazu (Halbstundentakt!).

Beispiel: Durchmesserlinie aus dem Züricher Seebecken nach Osten.