Liebe Freundinnen und Freunde!
Was denn jetzt? Auf den ersten Blick scheint das Befürworterlager bei der Filderanhörung gespalten. Hier die DB AG, die auf Teufel komm raus und selbst in einem Hagel von Kritik ihre Antragstrasse durchziehen will. Sie sei die am wenigsten schlechteste Lösung „Wir sind im Moment (!) in einem hohem Maße überzeugt, dass unsere Linienführung allen anderen Planvarianten überlegen ist“, so Bahnanwalt Kirchberg/(StZ 4.10.), um dann gleich Nachteile bei Brandschutz, Lärmschutz und Leistungsfähigkeit einzuräumen.
Die Bahn – der letzte Mohikaner? Denn alle anderen Befürworter haben sich inzwischen der seit langem und unermüdlich vorgetragenen Kritik an dieser Trassenführung angeschlossen: die Stadt LE mit ihrem spektakulären Gutachten der TU Dresden, die SSB, verschiedene SPD- Politiker und zuletzt Professor Gerhard Heimerl, einer der „Erfinder“ von S21. Noch am 06.02.2014 erklärte Heimerl wörtlich zur Flughafenanbindung: “Was jetzt gebaut werden soll, funktioniert.” http://s21irrtum.blogspot.de/2014/10/der-stuttgart-21-offenbarungseid-von.html. Dagegen nach dem Gutachten der Dresdner: Mit dieser Trasse „versündigen wir uns an unseren Kindern und Enkeln“ www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.heimerl-ueber-den-filder-bahnhof-wir-versuendigen-uns-an-unseren-kindern-und-enkeln.262e7aa3-e600-4613-aaab-b5f0cd20d75a.html. Will hier ein 80-Jähriger noch reinen Tisch machen? wie Blogger Fritz Möbius (ebd.) vermutet.
Die Konvertiten wollen jedoch weder raus aus der Fernverkehrs- Anbindung des Flughafens, geschweige denn aus S21 aussteigen. Sie wollen den Plan B, einen Fernbahnhof an der Flughafenstraße, bei dem alle Fern- und Regionalzüge gebündelt, und der S-Bahn-Halt unter den Terminals unangetastet bliebe. Eine teure Scheinlösung, die alte Probleme verschiebt (Brandschutz, Mischverkehr auf der Strecke, Probleme Rohrer Kurve) und andere verschärft, wie den Flächenverbrauch auf den Fildern.
Was nach Dissens im Befürworterlager aussieht, passt indes gut zusammen. Plan B ist nur zu haben, wenn der Kostendeckel um 220 Mio.€ gelupft wird. Das gehen die einen offen an (SPD, Klenk …), indem sie neue Gespräche fordern, während die DB erst mal weiter den Sturen gibt. Politik, Öffentlichkeit und FilderbürgerInnen erpresst sie mit der Drohung, wenn‘s kein weiteres Geld gibt, zur Not auch eine Trasse zu bauen, die absurd ist und von allen abgelehnt wird. Typisch Bahn AG!
Wie bei S21 gibt es auch im Filderbereich seit langem, aber immer ignoriert, einfachere und viel günstigere Lösungen, wie Steffen Siegel in seinem Beitrag bei der Anhörung darstellt.
Bei all der Kritik erscheint unumgänglich – und die Bahn rechnet wohl intern damit, dass ihre Antragstrasse bei Regierungspräsidium und EBA durchfällt. Wenn stattdessen am Ende Plan B durchkäme und der Kostendeckel (Präzedenzfall!) gelupft würde, wäre nur Teufel mit Beelzebub ausgetrieben.
Dritte Woche Filderkrimi
„Großräumige Varianten/Planrechtfertigung“ steht am Montag und Dienstag ab 9 Uhr auf dem Programm. Dabei geht es nochmal ums Ganze, nach der Devise: Wenn das Gesamtkonzept sinnlos ist, ist damit auch das Teilkonzept Filderbereich gescheitert.
Die Sinnfrage von S21 ist vor allem die Frage der Leistungsfähigkeit. Kapazitätssteigerung des Bahnknotens bis hin zur Verdopplung, wie die Bahnpropaganda weiterhin behauptet, oder Rückbau, wie vor allem von Dr. Christoph Engelhardt vertreten? Drei Jahre lang hatte die DB auf taub geschaltet zu allen Vorwürfen, den Stresstest manipuliert und Öffentlichkeit und Politik systematisch getäuscht zu haben. Am 25. Juli diesen Jahres, im Vorfeld der Filderanhörung, sah sie sich offenbar gezwungen, sich doch der Kritik zu erwehren. Ein Versuch, der grandios gescheitert ist, wie Christoph Engelhardt vorab in einer Pressekonferenz von Aktionsbündnis und WikiReal am 1. Oktober belegte.
Pressemitteilung
Mitschnitt
Presseresonanz (Auswahl):
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-21-auf-den-fildern-kritiker-wollen-gutachter-direkt-befragen.06108bd3-536c-44d4-94c2-7d059ce2c844.html
http://swrmediathek.de/player.htm?show=66659690-49a6-11e4-ba96-0026b975f2e6 (ab Min 6)
über dpa:
http://www.focus.de/regional/stuttgart/verkehr-stuttgart-21-gegner-sehen-bahn-immer-mehr-in-erklaerungsnot_id_4173642.html
http://www.welt.de/regionales/baden-wuerttemberg/article132819055/Stuttgart-21-Gegner-sehen-Bahn-immer-mehr-in-Erklaerungsnot.html
http://www.esslinger-zeitung.de/lokal/stuttgart/stuttgart/Artikel1224881.cfm
Engelhardt-Gutachten mit 220 Nachforderungen:
http://wikireal.org/w/images/3/31/2014-09-29_PFA_1.3%2C_Nachforderungen_DB.pdf (weitere Unterlagen ebd.)
(Der BUND legt Wert auf die Feststellung, dass Dr. Engelhardt für den Regionalverband des BUND und nur für den Teilbereich der Leistungsfrage als Gutachter für den BUND in der Anhörung tätig ist.)
Ob es in der Leistungsfrage anlässlich der Filderanhörung zum Schwur kommt, darf nicht allein dem Regierungspräsidium oder gar dem EBA überlassen bleiben. Entscheidend ist die kritische Öffentlichkeit. Die Leitmedien haben, angeschoben von der beharrlichen und beeindruckenden Kritik von Schutzgemeinschaft, Ing22, Vaihingern u.a., bisher differenziert und kompetent über die Filderanhörung berichtet. Ein bisschen Rückkehr der vierten Gewalt. Dadurch konnte eine bisher noch begrenzte kritische Dynamik ausgelöst werden.
Transparenz/Brief an Heiner Geißler
Besonders in der Schlüsselfrage der Leistungsfähigkeit, wo die DB getäuscht und gelogen hat, dass sich die Balken biegen, kommt es auf maximale Transparenz an. Zu hoffen ist, dass ab Montag viele kritische Bürger den Weg in die Filderhalle in Leinfelden (ab 9 Uhr) finden, um die Argumentation von David gegen Goliath zu unterstützen.
Vielleicht noch wichtiger ist, dass das ganze Land Zeuge dieser Debatte werden kann. Immerhin geht es um die Aufdeckung all der Manipulationen der DB, der seinerzeit im Stresstest ein Millionenpublikum aufgesessen ist und damit um ein Lügengebäude, das quasi Geschäftsgrundlage der Volksabstimmung wurde.
Geißler hat uns mit seinem sog. Schlichterspruch zweifellos über den Tisch gezogen. Es ist andererseits sein Verdienst (eigentlich das der Bürgerbewegung selbst), ein bisher nicht gekanntes Maß an Öffentlichkeit in einem gesellschaftlichen Konflikt hergestellt zu haben. Jetzt, wo es um die Aufdeckung all der Irreführungen geht, darf dies nicht unter Ausschluss einer breiten Öffentlichkeit stattfinden.
Das Aktionsbündnis (Eisenhart von Loeper) hat sich daher in einem Offenen Brief an Heiner Geißler gewandt und ihn aufgefordert, sich für eine vergleichbare Transparenz in der laufenden Filderanhörung einzusetzen – ohne dabei mit der Kritik an seinem damaligen überrumpelnder „Schlichterspruch“ hinterm Berg zu halten.
Schon lange nichts mehr über Kosten gehört!?
Die letzte Kostenexplosion von 4,5 Mrd. auf 6.8 Mrd. Euro hat die DB am 12. Dezember 2012 eingeräumt. Im März 2013 entschied der DB-Aufsichtsrat weiter zu bauen trotz erwiesener Unwirtschaftlichkeit auf Intervention von Merkel via Pofalla (damals Kanzleramtsminister, heute hochdotierter Lobbyist in Diensten der DB). Wer die Mehrkosten zahlt ist seither unklar. Im Zweifel werden Kretschmann und Kuhn, die sich nicht zu einer klärenden Feststellungklage verstehen konnten, mit Krokodilstränen einen Gerichtsentscheid über Hunderte von Millionen Mehrkosten für Land und Stadt hinnehmen.
Inzwischen ist viel passiert: Bauverzögerungen, Planänderungen (z. B. Nesenbachdüker oder demnächst Filder), absehbare Mehrkosten beim Brandschutz …). Wärs nicht mal wieder Zeit für einen Kassensturz? Die Stunde der kritischen Begleiter schlägt beim nächsten Lenkungskreis am 20. Oktober und indirekt in der Aufsichtsratssitzung der DB im Dezember.
Auf lange Sicht:
Tagung zu Stadtentwicklung von ArchitektInnen für K21 und Aktionsbündnis am 30./31. Januar. Stuttgart 21 und das damit verbundene Stadtzerstörungswerk treibt die Stadt seit Jahren um. Einer ähnlichen Logik folgen die innerstädtischen Shopping-Malls. Dass es sich hier um städtebauliche Sünden handelt, ist inzwischen Allgemeingut, wobei es wieder keiner gewesen ist s. auch Tom Adler in: www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.interview-mit-thomas-adler-es-ist-moeglich-stuttgart-21-zu-beenden-page1.d161f479-3a60-4015-9dc7-8ff059d15e8d.html. Vor kurzem hat die Stuttgarter Zeitung, ganz die Nase im Wind, einen Kongress zu Stadtentwicklungen veranstaltet – unter faktischen Ausschluss einer breiten Öffentlichkeit (horrende Eintrittspreise) und unter geschickter Umgehung des Stuttgart21-Dramas.
Das können wir besser. In Anlehnung an die erfolgreiche Bahnkonferenz Anfang Mai (http://www.bahn-fuer-alle.de und http://www.lunapark21.net/) soll eine offene Tagung im Rathaus mit einer breiten Mobilisierung mit viel Kunst, Kultur verknüpft werden.
Viele Grüße von Werner