Am Ende sollen Mehrkosten auf die Allgemeinheit abgewälzt werden

Das Aktionsbündnis gegen S 21 wirft der Deutschen Bahn und den Projektpartnern in Stadt und Land vor, gemeinschaftlich das faktische Scheitern der Verhandlungen über die Kostenträgerschaft von Mehrkosten des Projekts zu verschleiern. Wie Bündnissprecher und Rechtsanwalt Eisenhart von Loeper erklärte, habe bereits der im März 2013 vom Bahn-Aufsichtsrat gefasste Weiterbau-Beschluss zu S 21 festgestellt, dass der Bahn-Vorstand auf der Basis der gezogenen Sprechklausel „mit den Projektpartnern verhandelt“. Ähnlich hat sich RA Prof. Kirchner für die Stadt Stuttgart im Verfahren um den Eilantrag zum Dritten Bürgerbegehren geäußert. Es sei daher „grober Unfug“, wenn der DB-Sprecher dies jetzt in Abrede stelle („Es gibt jedoch noch keine Verhandlungen über die Auslegung der Sprechklausel“), während ein Ministeriumssprecher Gespräche einräumt „die aber nur auf Arbeitsebene“ stattgefunden hätten (StZ 27.10.2015).

Angesichts dieses Herumgeeiers könne man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die Projektpartner klammheimlich darauf verständigt haben, durch falschen Anschein ihr Scheitern in der Frage der (Mehr-)Kostenträgerschaft zu vertuschen. Wer auf einer völlig ungesicherten Vertragsgrundlage zusehe, wie täglich Kosten und Mehrkosten anwüchsen, nehme billigend in Kauf, dass am Ende Milliarden Euro Mehrbelastungen auf Öffentliche Haushalte und Steuerzahler zukämen, so von Loeper.

Die Bürger/innen dürften angesichts solcher Risiken gerade vor anstehenden Wahlen nicht im Unklaren gelassen werden, was auf sie zukommt. Das Aktionsbündnis erwartet von Ministerpräsident Kretschmann und OB Kuhn, bis zur Lenkungskreissitzung am 4. November, spätestens zur DB Aufsichtsratssitzung am 16. Dezember, von der Bahn die Höhe der inzwischen entstandenen Mehrkosten offenzulegen sowie ihre Bereitschaft, diese nach dem Verursacherprinzip zu übernehmen – und dies ultimativ und mit Fristsetzung. In ähnlichem Sinne hatte sich das Aktionsbündnis vor einigen Tagen in einem offenen Brief an Verkehrsminister Dobrindt gewandt.

 

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Der Verursacher zahlt die hohen Mehrkosten

Die Deutsche Bahn AG muss wohl selbst die 2,3 Milliarden Euro zahlen, um die nach ihrem Eingeständnis vom Dezember 2012 das Projekt „Stuttgart 21“ mindestens teurer wird als die vertraglich vereinbarten 4,5 Milliarden Euro. Denn für diese Mehrkosten müsse wahrscheinlich haften, „wer die Überschreitung verursacht hat und in wessen Risikosphäre sie fällt“. So entschied es das Verwaltungsgericht Stuttgart mit einem in dieser Woche zugestellten Eilentscheid vom 30. September 2015 (7  K 3612/15).

Nach der Ablehnung des Bürgerbegehrens „Storno 21“ Anfang Juli im Stuttgarter Gemeinderat hatte Rechtsanwalt Eisenhart von Loeper, zugleich Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S21, das Eilverfahren für S21-Gegner eingeleitet.

Den Gerichtsentscheid bewertet der Anwalt als „wichtiges Signal gegen die schleichende Verdunkelung bei S21“. Jetzt müsse der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG sich ganz neu seiner gesetzlichen Pflicht stellen, die Wirtschaftlichkeit und Sinnhaftigkeit dieses Projekts zu beachten. Denn die Bahn könne sich jetzt als alleiniger Vorhabenträger an ihrer Verantwortung als Kostenverursacher nicht mehr vorbeimogeln. Auch deren Projektpartner – speziell die Stadt Stuttgart und das Land Baden-Württemberg – dürften sich nun „nicht länger wegducken, sonst könnten sie beim unvermeidlich nächsten Kostenanstieg leicht zur Geisel der Bahn werden“.

Erwartungsgemäß habe das Gericht wegen teilweise schwieriger Rechtsfragen zwar einen Bürgerentscheid nicht im „Hauruck-Verfahren“ anordnen können. Dennoch habe der Eilantrag sich für die S21-kritische Bürgerschaft im Interesse der Landeshauptstadt gelohnt: Denn das Gericht habe den drei Jahre lang verheimlichten milliardenschweren Kostenanstieg prinzipiell als „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ eingestuft und nur offen gelassen, ob die Stadt Stuttgart den S21-Vertrag nun kündigen oder „nur“ verlangen könne, ihn zu Lasten des Verursachers der neuen Lage anzupassen.

Rechtsanwalt von Loeper kritisierte die Vertretung  der Stadt Stuttgart, die immer noch „denkbar bürgerunfreundlich formalistisch“ argumentiere. Vor Gericht gescheitert sei sie mit ihrer Position, das Bürgerbegehren wegen der langen Laufzeit des Sammelns der 20.000 Unterschriften als „verwirkt“ abzuweisen. Allerdings habe, so von Loeper, auch das Verwaltungsgericht den hohen Rang von Bürgerbegehren als Korrektiv gegenüber Mängeln der Parteiendemokratie zu wenig beherzigt. Gerade beim Großprojekt S21 sei diesem Leitgedanken Geltung zu verschaffen.

Die Antragsteller werden die gerichtliche Eilentscheidung nicht anfechten.

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Beschluss des VG Stuttgart vom 30. September 2015